Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Agnes Bernauer - Hexe Hure Herzogin

Agnes Bernauer - Hexe Hure Herzogin

Titel: Agnes Bernauer - Hexe Hure Herzogin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Böckl
Vom Netzwerk:
Begreifst du’s denn nicht?! Ein Fleisch sind wir, eine Seele; wie sollten wir – WIR! – denn ohne einander existieren können?!“
    Weiter, immer weiter schrie er ihr seine Liebe in die Augen hinein, bis sie dann zuletzt all seine Qual, all sein Aufbegehren, all seine Wut selbst auf das Göttliche mit einer einzigen und einfachen Geste zum Verschwinden brachte. Ins schweißige, staub- und blutverkrustete Haar wühlte sie ihm ihre Finger und zog seinen Kopf an ihre Brust. Und er empfand, dass es überstanden war, dass sie ihn nun nicht mehr bedrohte; dass sie neuerlich und mehr denn je zueinandergefunden hatten, über einen mehr als höllischen Abgrund hinweg. Er wollte vergehen in ihr und sich einwühlen bis zur Selbstaufgabe in ihren fieberhitzigen Leib; er wusste, dies würde das Paradies sein.
    Dennoch war ihm dieses Paradies nicht vergönnt, denn ehe sein Denken sich völlig in ihr zu verlieren vermochte, fetzte ihm stahlkantig das Widerstreitende ins Gehirn: die Existenz des Vaters, des Kriegshetzers, des Münchners. Der hatte die Böckler gestachelt und hatte sie und die Straubinger sodann zu Bogen geschlachtet; der war der Feind und der Teufel, und der war es auch, der ihm sein Weib, sein Alles, heute dermaßen in die Verzweiflung getrieben hatte. Das eine Fleisch, in dem er lebte, allein leben konnte, hielt Albrecht in seinen Armen; das andere Fleisch, das verhasste, das ihn dennoch gezeugt hatte, das er trotz allem also nicht hassen durfte, lauerte in München. Und jetzt zerriss und zerbiss ihn dieser Zwiespalt; ärger, als je ein Schwert es gekonnt hätte. Und obwohl der Wittelsbacher nun äußerlich ruhig blieb, tobten die zerhauenen Hälften in seinem Inwendigen wie wahnsinnig gegeneinander an. Irgendwann dann kam die Erschöpfung und mit der Erschöpfung der vermeintlich erlösende Gedanke: Ich werde ihm noch einmal schreiben; ich werde ihn anflehen und ihm vor Augen führen, wie es um Agnes und mich steht; er muss doch begreifen – er ist doch kein Vieh …
*
    In der Woche nach Ostern, während die Blonde sich allmählich erholte, quälte der Dunkelhaarige sich schier endlos mit dem Brief an Herzog Ernst ab. Keinen Kanzleischreiber zog er hinzu; mehr als ein Dutzend Fassungen entwarf und zerriss er eigenhändig wieder. Zuletzt ließ er ganz einfach seinem geschundenen Herzen freien Lauf und fetzte die Worte so aufs Pergament, wie sie ihm aus der Seele quollen; ein Hilfeschrei um Verständnis war es, von den Böcklern und dem Scharmützel war bloß noch am Rande die Rede. Und dann jagte der Bote mit der gesiegelten Depesche davon nach München, und Albrecht zwang sich zur Hoffnung, auch wenn eine innere Stimme ihn deswegen immer wieder jäh zu verspotten schien.
    Dieses mentale Höhnen wurde lauter, je weiter der April ins Land ging; aus dem Oberland kam keine Antwort, kein Zeichen, nichts. Stattdessen gelangten in der zweiten Monatshälfte neue ungute Nachrichten hinsichtlich der Rebellen nach Straubing. Mehrere wittelsbachische Dörfer, alle ungeschützt, im Chamer Raum waren überfallen und geplündert worden; der Statthalter hätte sich spätestens jetzt zu einer Strafexpedition aufraffen müssen, ließ die Dinge aber dann wie gelähmt treiben. Und in dieses Gelähmtsein hinein, mehr denn je wegen des Vaters, platzte in den letzten Apriltagen schließlich der Kurier aus München, auf den Albrecht fast nicht mehr zu hoffen gewagt hatte.
    Mit zittrigen Händen erbrach der Dunkelhaarige das Siegel, mit zuckendem Herzen begann er zu lesen; wenig später schleuderte er das Schriftstück mit einem Fluch zu Boden.
    Herzog Ernst von Bayern-München hatte für seinen einzigen Sohn kein einziges gutes Wort gefunden. Er hatte Albrecht lediglich zur Sau gemacht wegen seiner angeblichen Unfähigkeit und hatte ihm die alleinige Schuld an dem Aufruhr gegeben. Mehr noch; er hatte seinen Sermon mit folgendem Satz abgeschlossen: „Die Zuberhur’ musst du zum Teufel jagen, ich befehle es dir; wenn du mir darin gehorsam gewesen bist, können wir über alles andere reden!“
    Und während er nun auf den Fetzen starrte, der zerknüllt auf den Dielen lag, spürte der Vierunddreißigjährige einen Hass hochquellen, wie er ihn nie zuvor in seinem Leben gekannt hatte.

STRAUBING
Mai 1435

Hat sich Herr Heinrich, unser Beichtvater …
sehr bei uns über die Straubinger Juden beklagt;
daß sie große Unzucht mit den Christinnen treiben,
besonders wie einmal eine in einer Kirche gegen
ihren Willen von einem Juden zu

Weitere Kostenlose Bücher