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Agnes Bernauer - Hexe Hure Herzogin

Agnes Bernauer - Hexe Hure Herzogin

Titel: Agnes Bernauer - Hexe Hure Herzogin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Böckl
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suchte er verzweifelt etwas Ähnliches, aber es wurde ihm nicht geschenkt – jeder Hufwirbel schien ihn unter der irgendwie verräterischen Maiensonne bloß noch tiefer in einen zähen, blutfarben durchschlierten Nebel hineinzutragen. Aus der Erde, aus den Erlen und vor allem aus dem Strom selbst schien die Beklemmung immer ärger heranzuwuchern gegen den Vierunddreißigjährigen; zuletzt hatte er das Gefühl, als schnüre ihm ein nicht greifbarer Strick die Kehle ab. Er wollte seine Wut herausbrüllen, doch selbst dies war ihm jetzt nicht mehr vergönnt. Nach innen, wie wattige, würgende Hämmer schlug ihm vielmehr der Grimm; schließlich riss der Wittelsbacher das Ross so brutal herum, dass es um ein Haar zu Fall gekommen wäre. Zurück in die Stadt preschte er, wo die Untertanen waren; der Pöbel, den zu ducken ihm vom Gottesgnadentum 70 unabdingbar zugestanden worden war. Und der Fürst wollte jetzt ducken, treffen und treten, auch wenn er sich dies bewusst nicht einzugestehen wagte; ein finsterer, unausgesprochener Trieb vielmehr peitschte ihn vorwärts, und so langte er in der Stunde zwischen Morgen und Mittag auf dem Straubinger Schrannenplatz 71 an.
    Etliche Bäuerinnen und Küchenmägde, als sie des Stieräugigen auf dem schäumenden Rappen ansichtig wurden, drückten sich kreischend beiseite. Für einen Moment lichtelte ein schmerzliches Staunen über sich selbst durch das Gehirn des Dunklen; sein aggressiver Trieb und seine besseren Anlagen hielten sich ein paar Herzschläge lang die Waage. Unwillkürlich zügelte er den Hengst, ließ ihn die nächsten Meter halb im Schritt, halb im Trab zurücklegen; war in dieser Minute fast schon versucht, das Tier wiederum zu wenden und sich heim in die Burg zu flüchten. Ein Kleriker, der irgendwo im Hintergrund stand und ihn scharf musterte, schien ihn in diesem Vorsatz noch bestärken zu wollen – doch gleich darauf erblickte der Wittelsbacher ganz in der Nähe des Priesters den Juden.
    Um den Sinay handelte es sich, den Scherbentändler 72 ; er pflegte regelmäßig auch aufs Schloss zu kommen. Doch jetzt nahm er den Statthalter noch nicht einmal wahr, schäkerte vielmehr lachend mit einer hübschen Bürgerstochter, hielt ihr dabei einen dunkelrot bemalten Krug zur Begutachtung hin. Schon die ungewollte Missachtung seiner Anwesenheit kitzelte die dumpfe Wut des Dunkelhaarigen erneut hoch. Als die junge Frau das Gefäß nun auch noch mit anmutiger Gebärde aus den Händen des Israeliten entgegennahm, kulminierte Albrechts Hass. Sich selbst und die Mooräugige sah er plötzlich unter dem seidigen Maienhimmel stehen, nichts als Unbeschwertsein war zwischen ihnen und verband sie miteinander; keiner war da, der sich feindlich in ihre stille Zufriedenheit zu drängen versuchte. Mit dem nächsten Lidzucken des Statthalters jedoch verwich diese Vision wieder. Nur noch das Antlitz des Juden blieb übrig: die gottesmörderische Fratze – das Zerrbild, mit dem man die Seele des Wittelsbachers und jedes anderen Christen dazu von Kindesbeinen an tausend- und abertausendmal vergiftet hatte. Und diese Dämonenlarve, als der Sinay jetzt auf einmal doch den Kopf wandte, schien ihn anzublecken und in seinen Schmerz hineinzukeckern – und dann platzte, nachdem der Rappe erneut angaloppiert war, jäh etwas Blutrotes im Gesicht des Israeliten auf.
    Mit der Reitpeitsche hatte Albrecht von Bayern-München zugeschlagen; gleichermaßen in die vermeintliche Fratze und in seine eigene Qual hinein. Und nun, weil die junge Frau schrie, biss die Geißel neuerlich zu – wieder und immer wieder, bis sich der Jude unter seinem Stand wimmernd zusammenkrümmte. Erst da kam der Wittelsbacher so weit zu sich, dass er die Peitsche sinken ließ und den Händler bloß noch verbal anging: „Saujud’, du, dreckiger! Was hast du dich unflätig gegenüber einer Christin aufzuführen?! Jeder Verkehr, über das rein Geschäftliche hinaus, ist dir verboten, das weißt du! Und jetzt kusch, du Hund; zieh Leine, sonst lasse ich dich einkerkern!“
    Während die Hübsche verschreckt floh und der Sinay sich zitternd bemühte, dem Befehl nachzukommen, riss der Statthalter sein Ross herum und ritt davon; fast wie selbst auf der Flucht. Nahe kam er dabei an dem Kleriker vorbei, der die ganze Zeit über im Hintergrund gelauert hatte, und nun erkannte der Dunkle ihn auch: Der Heinrich war es, sein eigener Beichtvater. Stechend schien der Blick des Priesters ihn noch einmal zu treffen. Albrecht fluchte; zurück im

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