Agnes Bernauer - Hexe Hure Herzogin
dem Kabinett getaumelt; er hatte instinktiv erkannt, dass jedes sich Aufbäumen gegen die Entscheidung des Herrschers sinnlos sein würde: Der Glotzäugige hatte brutal zugeschlagen, damit Punktum und basta! Erst viel später, auf dem Weg zurück nach Straubing, war ihm zusätzlich bewusst geworden, dass Ernst mit keinem Wort die Bernauerin erwähnt hatte. Und doch musste es bei der hundsgemeinen Maßnahme vor allem um sie, um seine morganatische Ehe gegangen sein! Seit er von der Liebesbeziehung und später von der heimlichen Hochzeit erfahren hatte, war dem Münchner kein Mittel zu gemein gewesen, um sie beide auseinanderzubringen. Glühende Kohlen hatte er zu diesem Zweck auf Albrechts Haupt angesammelt; selbst seine Erhöhung zum Statthalter im Unterland war offensichtlich nur Mittel zu diesem Zweck gewesen. Der Alte hatte den Jungen mit der Macht zu locken und zu korrumpieren versucht; als er dann eingesehen hatte, dass Albrecht trotzdem nicht von seiner Familie lassen würde, hatte er ihm diese Macht Stück für Stück wieder aus den Händen geschlagen. Regensburg war ein solcher Hieb gewesen, der Aufstand der Böckler dann ein noch ärgerer; mit dem Pogrom zuletzt war Albrecht von sich aus ins längst gezückte Messer gerannt. Aufgespießt hatte er sich damit an seiner eigenen Dummheit und seinen eigenen Obsessionen; der Drahtzieher in der Alten Veste hatte die Klinge bloß noch ein wenig drehen müssen, damit er ihm den Rest hatte geben können. Damit er ihn nun nach Vohburg abschieben konnte; in die Bedeutungslosigkeit. Und ein Ausbrechen aus dieser Bedeutungslosigkeit würde nur dann möglich sein, wenn er, Albrecht, dem Tyrannen doch noch den Gefallen tat, um den es ihm allein ging: wenn er die Blonde, die eigene Erniedrigung nicht mehr ertragend, zuletzt eben doch in die Gosse zurückstieß! Dies, der Dunkelhaarige hatte es unwiderruflich begriffen, war die allerhinterfotzigste Absicht des Vaters gewesen. Meisterlich hatte Ernst die verhängnisvolle Zwickmühle aufgebaut; deswegen hatte er über die Bernauerin kein einziges direktes Wort verloren: weil er es überhaupt nicht nötig gehabt hatte. Und in der Tat hatte der Vierunddreißigjährige sich gefragt, was er um ihretwillen denn noch alles würde ertragen müssen?!
In ihrer Nähe dann freilich hatte er sich geschämt deswegen; die Zweifel waren ihm augenblicklich wieder verwichen, dies umso mehr, als Agnes den Tort mutiger getragen hatte als er selbst. Wie so oft schon hatte sie ihn aufgefangen und seelisch gehalten; sie war es gewesen, die seinem Leben trotz allem wieder Perspektive gegeben hatte. „In Vohburg werden wir es besser haben als in Straubing“, hatte sie ihm gesagt. „Wir werden wieder die Schale um uns spüren, werden in der kleinen Welt wieder geborgen sein!“ Und dann hatte sie die Auflösung des Haushalts in die Hand genommen und hatte ihn selbst so gut wie möglich abgeschirmt von den missgünstigen, den hämischen Schranzen. Weitere Erniedrigungen hatte sie ihm erspart auf diese Weise; so schnell wie möglich hatte sie den Umzug in die Wege geleitet, und nun – nicht viel mehr als eine Woche nach dem entsetzlichen Auftritt in München – befanden die Planwagen mit der wertvollen persönlichen Habe und die Kutsche sich bereits auf dem Weg in die Grafenstadt. Neben der Kalesche, in der sein Weib und Sibylla saßen, trabte der Dunkelhaarige einher; es hätte ein schöner Tag sein können, wenn bloß das Rädern in seinem Schädel nicht gewesen wäre – unablässig aus der gequälten Erinnerung Albrechts heraus dieses verfluchte: „Du hast das Straubinger Land in den Ruin …! Einen Dreck ist …! Hätte ich meinen Hofnarren schalten und walten lassen …“
Verbissen, seine Umgebung kaum wahrnehmend, saß der Wittelsbacher im Sattel, während sich der Wagenzug – an den Flanken von leichtgepanzerten Reitern geschützt – am Ufer der Kleinen Laaber entlangwälzte. Die Blonde hatte vorgeschlagen, den Weg durch das Hügelland und nicht entlang der Donau nach Vohburg zu nehmen; auf diese Weise konnte das Begafftwerden in Regensburg und später Kelheim vermieden werden. Hier hingegen, an dem kleinen Fluss, waren nur unbedeutende Dörfer zu passieren. Perkam und Geiselhöring lagen jetzt bereits hinter dem Zug, Mallersdorf mit seinem Kloster war noch ein paar Meilen entfernt; dort würden die Kutsche und die Wagen das Tal verlassen und stracks nach Westen weiterfahren. Doch ehe es zu diesem Abschwenken kam, hörte Albrecht
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