Agnes Bernauer - Hexe Hure Herzogin
gottgewollte Ordnung der Dinge wieder hergestellt werden könne! Nichts anderes als eine dynastische Heirat meinen sie damit; dass die Agnes einen vom Priester geweihten Ring trägt, schert sie in ihrer Hartherzigkeit einen Dreck! Nicht seinen niedrigen Gelüsten (verzeiht!), sondern dem Fürstentum gehöre der Thronerbe – mit solchen und noch schlimmeren Worten schreien sie ihre Infamie heraus! Und ich fürchte, dass es ein Unglück gibt, Albrecht, so du nicht so rasch wie möglich etwas gegen die Wühler unternimmst!“
Der Dunkelhaarige ließ das Pergament sinken, seine Hand zitterte dabei. Bloß gut, dachte er, dass die Blonde bei den Siechen ist, dass sie nicht anwesend war, als der Kurier in den Hof preschte. Sie hätte sofort gewittert, dass es einmal mehr und vielleicht schlimmer denn je gegen sie geht! Mein Gott, warum will man uns den Frieden, den wir so mühsam wiedergefunden haben, nicht gönnen?! Ist es denn zu viel verlangt, dass wir unsere Liebe auch leben wollen?! – Er ermannte sich; er durfte sich jetzt auf keinen Fall im Selbstmitleid verlieren. – Ich werde ihr nichts sagen von diesem Brief, überlegte er weiter. Wenn sie doch fragt, lüge ich ihr etwas von einer Staatsangelegenheit vor. Ich muss es tun, sie quält sich sonst zu sehr! Und ich muss an den Alten schreiben, ob es mir nun passt oder nicht! Ich muss ihm ins Gewissen reden; er kann nicht zulassen, dass sie und ich dermaßen verschimpfiert werden! Und gleich muss ich es tun, ehe sie zurückkommt!
Noch einmal, nachdem der bittere Entschluss einmal gefasst war, überflog er die Zeilen des Sedlec. Dann zerriss er das Pergament in kleine Fetzen, streute sie in den Kamin, schürte trotz der Spätsommerwärme das Feuer hinter dem steinernen Sims an. Die verräterischen Fragmente flackerten auf und verglimmten im Handumdrehen zu Asche. Im Fenstererker, immer mit dem Blick auf den Burghof, über den Agnes zurückkommen musste, verfasste der Wittelsbacher daraufhin hastig die Botschaft an seinen Vater. Schwer fiel es ihm, unsäglich schwer, den Glotzäugigen noch einmal um etwas zu bitten. Aber er überwand sich, er tat es für sein Weib und ihr gemeinsames Kind; er legte dem Alten dar, wie ihm zumute war – schrieb, dass er noch am Leben verzweifeln müsse, wenn man ihn und die Seinen nicht endlich in Frieden lasse!
Noch während Albrecht siegelte, rief er nach dem Kurier. Er drückte dem Abgehetzten die Depesche und reichlich Gold in die Hand; befahl ihm, sich ein frisches Pferd geben zu lassen, sodann augenblicklich nach München zurückzukehren: „In die Neue Veste, direkt zu Herzog Ernst!“ Und dann blickte er dem Galoppierenden nach, bis er sicher sein konnte, dass Agnes auch jetzt nicht auf ihn treffen würde. Als die Blonde wenig später mit Sibylla zurückkehrte, fand sie den Dunkelhaarigen beim Wein. „Sorgen?“, erkundigte sie sich, fühlte sich dabei ungewiss an Straubing erinnert.
„Nein!“, wiegelte er ab. „Es ist nur die Hitze heute; es scheint ein Gewitter in der Luft zu liegen!“
Sie nahm es hin, und auch in den nächsten Tagen drang sie nicht weiter in ihn, obwohl er die ganze Zeit unter der gleichen Unruhe zu leiden schien, die sie schon bei ihrer Rückkehr aus dem Spital an ihm erspürt hatte. Still also trug sie dies mit ihm und sagte sich bloß immer wieder, dass er schon sprechen würde, so er das Reden wirklich nötig haben sollte. Dass er sich ihr freilich um keinen Preis anvertrauen konnte, ahnte sie nicht. Er wiederum bemühte sich, die brennende Ungewissheit und die Angst, die in ihm waren, ihr gegenüber zu verbergen. Als ihm dann klar wurde, dass sein Vorstoß gegenüber dem Münchner ins Leere gegangen war, dass ihn der Alte keiner Antwort würdigen wollte, verwandelte Albrechts Furcht sich in Trotz; in eine Art verzweifelten Lebenshunger dazu. Den Septemberanfang dieses Jahres 1435 schrieb man inzwischen, und der Vohburger Graf ordnete an, dass der dritte Geburtstag seiner Tochter mit einem Fest für die ganze Stadt gefeiert werden solle; die Vorbereitungen dazu müssten sofort beginnen. Auch dies nahm die Blonde hin, obwohl sie es sich familiärer gewünscht hätte, doch mehr als dies zählte für sie, dass ihr Gatte nun wieder ruhiger geworden zu sein schien.
Albrecht, zumindest was Agnes anging, hatte die verhängnisvolle Klippe also umschiffen können. Den nächsten Schlag freilich, der ihn schon wenige Tage später traf, vermochte er nicht mehr vor der Bernauerin zu verbergen.
Aus
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