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Agnes Bernauer - Hexe Hure Herzogin

Agnes Bernauer - Hexe Hure Herzogin

Titel: Agnes Bernauer - Hexe Hure Herzogin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Böckl
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eintritt?!“, wehrte sich der Dunkelhaarige; war schlagartig wieder in die Obsession seiner christlichen Erziehung abgestürzt. „Was liegt schon am Juden?! Der ist doch sowieso verflucht, von Ewigkeit zu Ewigkeit!“
    „Doch liegt dir etwas an ihnen!“, beharrte Agnes. „Wie sonst hättest du heute Nacht, in deinen Albträumen, ihre Namen herausschreien können; einen um den anderen?! Und warum hast du mich vorhin um Rat gebeten?! Warum hast du wissen wollen von mir, was nun weiter geschehen soll mit ihnen, nachdem sie durch deine Schuld – vor allem aber durch die Schuld der Priester – die Folter erdulden mussten?! Warum lässt du sie denn nicht einfach verbrennen, Albrecht?! Was stünde denn dagegen, wenn dir wirklich nichts an ihnen läge?! Tätest bloß dem Gesetz Genüge; dem weltlichen und dem kirchlichen dazu! Warum aber quälst du dich dann so, wenn’s doch rechtens ist?!“ Wieder beutelte sie ihn. „Weil du’s vor deinem Gewissen nicht verantworten kannst! Weil du nicht so schlecht bist, wie du dich selber gerne machen würdest! Weil du mir nicht mehr in die Augen schauen könntest, wenn du das Mordurteil wirklich unterzeichnen würdest!“
    Er klammerte sich fest an ihr; gleichzeitig wollte etwas anderes ihn dazu treiben, vor ihr zu fliehen. Aber auch sie hielt ihn und ließ ihn nicht los, und dann zwang und saugte sie ihn förmlich in ihren Blick hinein; in ihren unergründlichen, in ihren moorbraunen. Ihr gemeinsames Leben schien heraufzusteigen aus dieser warmen Tiefe; sieben Jahre einer einzigartigen Liebe – und damit sieben Ewigkeiten. In einem moorbraunen Spiral fühlte der Wittelsbacher sich aufgefangen, wieder wie beim allerersten Mal sah er ihre Augen – und dann wurde ihm vom Verstand her und zugleich in der Seele bewusst, dass es keinen Unterschied gab zwischen der geheimnisvollen Iris der Geliebten, der Gattin und dem, was gleichfarbig in den Augen der Juden lag. Hier wie dort war dieses Dunkle und Weise, dieses Behütende und zutiefst Menschliche, und auf einmal löste sich Albrechts Verwirrung in einem entsetzten Schrei: Er sah die Augen seines Weibes, doch das zugehörige Antlitz war das des Sinay.
    „Vergib mir!“, flüsterte er, nachdem der Schrei vergurgelt war; er meinte die Blonde damit – und meinte viel mehr.
    „Ich wusste, dass du sie verschonen würdest“, raunte sie. „Jetzt haben der Heinrich und die anderen keine Macht mehr über dich, jetzt bist du wieder frei! Aber du musst schnell handeln, denn wenn die Angelegenheit in Regensburg bekannt wird und auch noch der Bischof dort sich einschaltet …“
    „Ich werde tun, was ich kann!“, versprach der Wittelsbacher nach einem tiefen Atemzug.
*
    Albrecht von Bayern-München vermochte das Leben der Straubinger Juden zu retten, mehr nicht.
    Weil das auf der Folter erzwungene Geständnis vorlag, verhinderten die Inquisitoren eine völlige Rehabilitierung der Unschuldigen mit Erfolg. Insgeheim musste der Statthalter sogar froh sein deswegen; wäre das Justizverbrechen in vollem Umfang öffentlich geworden, hätte er selbst – da er ja am Tribunal teilgenommen hatte – als zutiefst unfähig dagestanden. Es konnte also letztlich nur darum gehen, die Israeliten vor dem Schlimmsten zu bewahren und den Rückzieher sodann so gut wie möglich zu kaschieren. Tagelang, während die Geschändeten noch immer im Kerker schmachteten, zerrten die Priester hin und der Wittelsbacher her. Zuletzt einigte man sich, ohne dass die Gefolterten noch einmal angehört wurden, auf einen Kompromiss. Es wurde den Mosaischen zugestanden, dass sie sich mit einer hohen Geldsumme aus der Gefangenschaft freikaufen und ihre vorgeblichen Verbrechen damit sühnen konnten.
    Folgenden Urfehdebrief 77 hatten die Opfer einer christlichen Rechtsprechung zu unterzeichnen, ehe man sie unter den Schmährufen des Pöbels und den hasserfüllten Augen des Klerus aus dem Kerker entließ:
    Ich Joppel, ich Sinay, ich Hirsch, ich Elias, ich Mair, ich Josepp, ich Kopfel, ich Markert, ich Mandel, ich Michelin und ich Grässel, die Juden zu Straubing, bekennen von solcher Beschuldigung wegen, die auf uns zu Straubing gekommen und an unsern gnädigen Herrn Herzog Albrecht gelangt ist, der uns darum in seine Strafe genommen hat, also dass wir, unser jeglicher, seinen Gnaden das abgetragen hat: auf das geloben wir, alle obgeschriebenen Juden, dass wir dem obgenannten unserm gnädigen Herrn, als den Seinen, auch denen, die in den Sachen verdacht sind von der Fängnis

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