Agnes Bernauer - Hexe Hure Herzogin
Nicken Agnes’ hinein fuhr er, ernster wieder, fort: „Vielleicht steht der Betzwieser irgendwie für unser neues Leben. Für das Bescheidene, für die Nähe zu den Menschen, die wir jetzt wieder finden können … – Wenn ich’s recht bedenke, waren wir in Straubing niemals so glücklich wie zuvor hier. Zu viele Schranzen, zu viele Ränke und Intrigen, zu viele Pflichten – und viel zu wenig Zeit für uns …“
„Im Unterland warst du mächtig, und wir wissen beide, was es dir letztlich eingebracht hat“, stimmte die Blonde ihm zu. „Hier, im Donauried, haben wir wieder eine Chance für uns selbst!“
„Wir werden sie wahrnehmen!“, beteuerte der Wittelsbacher. „Mein Gott, wir hätten überhaupt nie von hier weggehen sollen; ich hätte mich ganz einfach weigern müssen, damals! Kannst du mir meine Dummheit noch einmal verzeihen?“
„So sollst du nicht reden“, murmelte die Vierundzwanzigjährige. Die Zärtlichkeit seiner Hand ging ihr allmählich durch und durch. „Du sollst jetzt überhaupt nicht mehr reden, du sollst nur noch …“
„Ja …“, flüsterte Albrecht, flüsterte es bereits in den Kuss hinein, und dann wurde ihr neues Zueinanderfinden immer leidenschaftlicher und intensiver. In der lauen Juninacht, direkt unterm Sternenhimmel, vereinigten sie sich, wiegten sie sich und spürten sie zuletzt die alles auslöschende süße Müdigkeit. Viel später, als der Mond längst den Zenit seiner Bahn überschritten hatte, als der Dunkelhaarige in Agnes’ Armen wieder erwachte, versprach er ihr: „Morgen werden wir hinüber in die Alb reiten! Wir werden den Platz suchen, wo ich dir damals den Verlobungsring ansteckte; wir wollen das Wildgras dort noch einmal wispern hören.“
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Bis in die Augustmitte hinein zeigte der wiedergefundene Friede sich tragfähig. Im ausgeglichenen Wechselspiel zwischen dem Familiären und den überschaubaren gräflichen Pflichten schien das Leben verlässlicher als seit Jahren wieder Tritt fassen zu wollen. Das Paar auf der Burg wurde neuerlich einbezogen in das biedere Treiben der Stadt; manchmal, je weiter der Sommer fortschritt, glaubten sie, es wäre ihnen zwischen Dezember 1432 und der Rückkehr nichts als ein wirrer Traum widerfahren.
Regelmäßig in dieser Zeit besuchte die Blonde das Spital, für das sie einst so viel getan hatte; zusammen mit den Alten saß sie im Garten, und Wärme strahlte dann aus den Augen der Weißhaarigen – besonders, wenn auch Sibylla anwesend war. Bei vielen anderen Gelegenheiten dazu kam Agnes unter die Menschen; in Straubing, am Protzhof, hatte sie mehr oder weniger abgekapselt vegetieren müssen, aber in Vohburg durfte sie wieder das Einssein mit dem Volk fühlen und schmecken. Ebenso erging es ihrem Gatten; von der Last der großen Politik befreit, leitete Albrecht viel Positives im kleineren Rahmen in die Wege.
Eine schon lange schwelende Fehde zwischen einem Ritter und einem kirchlichen Stift vermochte er in diesen Monaten zu bereinigen; etliche verfallene Lehen vergab er neu und prüfte die verschiedenen Bewerber dabei nicht nur mit dem Verstand, sondern auch mit dem Herzen. So kehrte einerseits ein Stück Sicherheit zurück ins Donauried, und andererseits kamen auf die Bauerngüter Verlässliche zu sitzen, auf deren Arbeit zukünftige Generationen würden aufbauen können.
Dies alles geschah, während im Stromtal allmählich die Ernte ausreifte; dann jedoch, als die Schnitter sich bereit machten, den Segen einzubringen, wendete sich das Schicksal des morganatischen Paares erneut. Mit einem Brandbrief begann es, der vom Sedlec aus München kam; der Bote jagte in den Burghof, als sei der Teufel hinter ihm her, und unwillkürlich glaubte Albrecht sich in die Jahre seiner Straubinger Heimsuchungen zurückversetzt.
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„Der Adel im Ober- und Niederland, dazu die Schranzen am Hof, sie alle hetzen gegen euch!“, hatte der Böhmische geschrieben. „Eure Ehe, so blasen sie dem Herzog Ernst ununterbrochen ein, müsse der Leibhaftige gestiftet haben! Dass sie beim Regenten damit offene Türen einrennen, ist keine Frage! Hat er doch selbst erst kürzlich beim Bankett mit der Pfalzgräfin Beatrix verlauten lassen, wenn die Erbfolge im Hause Wittelsbach ungeklärt bleibe, stünde dem Land über kurz oder lang ein Bruderkrieg ins Haus! In diesen Gedanken hat er sich verrannt, und die Missgünstigen zwischen Nordgau und Inn bestärken ihn schamlos noch darin! Verlangen, dass etwas Handfestes geschehen müsse, damit die
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