Agnes Bernauer - Hexe Hure Herzogin
plötzlich einen Zuruf der Mooräugigen in sein verbohrtes Bewusstsein dringen; gleich darauf wurden die Fahrzeuge langsamer, Agnes musste einen entsprechenden Befehl gegeben haben.
Der Wittelsbacher trieb den Rappen ein paar Sprünge zurück; neben der Kalesche beugte er den Oberkörper schräg und erkundigte sich mit belegter Stimme: „Was ist los?“
„Sibylla“, klärte seine Gemahlin ihn auf, „will um keinen Preis länger bei mir im Halbdunkel sitzen! Sie bettelt schon die ganze Zeit nach dir, möchte zu ihrem Vater aufs Pferd. Ich denke, dass du ihr den Gefallen tun solltest …“
Zuerst wollte Albrecht ablehnen; er ritt einen Streithengst, und das Tier konnte zuzeiten schrecklich ungebärdig sein. Doch dann erinnerte er sich plötzlich an einen anderen Tag, an dem er zusammen mit der Blonden gereist war; auch damals war ein Flüsschen im Spiel gewesen, die Paar, und Agnes hatte an seiner Seite eine Zille verlassen und hatte lachend einen Zelter bestiegen. „Ihr könntet beide reiten“, schlug er vor, „dein Schimmel läuft doch irgendwo hinten mit. Lass ihn dir herbringen, wir sind so lange nicht mehr Schenkel an Schenkel dahingetrabt. Bitte, wir wollen das tun, und die Kleine hat dann ihre Mutter und ihren Vater bei sich!“ Etwas in seiner Kehle schien sich zu lösen bei diesen Worten; etwas Krustiges, das ihn seit München gezwängt hatte, schien von ihm abzufallen.
Die Mooräugige lächelte, ihr Einverständnis war wie ein sehr wertvolles Geschenk für ihn. Plötzlich konnte er es kaum mehr erwarten, bis der Zelter da war und er selbst den schmalen Körper der knapp Dreijährigen vor sich im Sattel spüren durfte. Sibylla krähte übermütig, als er vorsichtig wieder anritt; dann wehte ihr helles Haar, das so sehr an ihre Mutter erinnerte, über der dunklen Pferdemähne, und neben ihnen war Agnes und sah auf einmal selbst wieder aus wie ein junges Mädchen. Bis Mallersdorf ritten sie Seite an Seite und scherzten dabei mit ihrem Kind; der Hengst machte keine Sperenzchen, benahm sich erstaunlicherweise lammfromm. Als dann über dem Steilufer der Laaber das Kloster auftauchte, wurde dem Wittelsbacher auch vom Verstand her bewusst, dass das Rädern in seinem Schädel aufgehört hatte; er schien die mentale Qual auf einmal meilenweit hinter sich gelassen zu haben.
Einen dankbaren, erlösten Blick warf er seinem Weib zu und drängte den Rappen näher an den Schimmel heran. Gleich darauf schlüpfte ihre Hand herüber, streichelte Sibylla über den Kopf und berührte dann seine Zügelfaust. Die Geste löste eine kaum mehr zu bewältigende Sehnsucht in ihm aus; er ließ den Hengst in den Wiegegalopp springen und rief Agnes zu: „Nun kann ich es fast nicht mehr erwarten, bis wir Vohburg erreichen!“
*
Sie hatten sich Polster auf die Turmplattform bringen lassen, die Blonde hatte es sich so gewünscht. Der Abend war lau, seit einigen Tagen lebten sie jetzt schon wieder in der Grafenburg, die ihre Verlobung und später ihre heimliche Eheschließung gesehen hatte; unterm ersten, noch zaghaften Auffunkeln der Sterne kuschelte Agnes sich an ihren Gatten und flüsterte: „Von hier oben aus habe ich dich in den Hussitenkrieg ziehen sehen. Ich hatte solche Angst, dass du nie wieder zu mir zurückkehren könntest; ich verging fast in meinem Leid, aber dann tauchtest du doch wieder auf, unten im Tal. Unsere Liebe war stärker gewesen, sie hatte uns trotz allem von Neuem zusammengeführt. Umso leichter, Albrecht, werden wir das tragen können, was dein Vater dir angetan hat. Er trachtet dir ja nicht nach dem Leben, so wie damals die Feinde. Er hat dir immer noch das Grafenschloss gelassen, die kleine Stadt dazu; auch unser Stück Donau und unsere Alb. Und er hat uns nicht voneinander trennen können; das zählt doch tausendmal mehr als alles andere!“
„Du hast recht“, erwiderte der Wittelsbacher; spürte dabei ihre Brust in der Schale seiner Hand. „Es erschien mir nur am Anfang so schlimm, so ungeheuerlich. Weil er mir die Absetzung hinwarf wie einen Fehdehandschuh! Aber nun, seit wir wieder in Vohburg sind, weiß ich, dass ich es ertragen kann. Mehr noch: Ich freue mich auf die künftigen Jahre! Schön sollen sie werden für dich, Sibylla und mich! Hast du übrigens bemerkt, dass sich die Kleine bereits mit dem Betzwieser angefreundet hat?“ Er lachte leise. „Den Heinrich zu Straubing hat sie einmal gegen das Schienbein getreten, weißt du noch? Aber den alten Vohburger Pfarrer liebt sie.“ Ins
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