Agnetha Fältskog. Die Stimme von ABBA (Die ABBA-Tetralogy) (German Edition)
Betätigung, denn Björn und Benny legen mit ABBA die Messlatte des Pop ziemlich hoch. Agnetha möchte hier musikalisch mithalten und ein möglichst professionelles Album machen.
Michael Tretow: „Am Anfang hat Agnetha nachlässig und oft auch falsch gesungen, aber als sie dann bei ABBA war, lernte sie Präzision. Björn und Benny waren ihre musikalischen Lehrer, und es wurde ihr klar, wie wichtig es war, eine halbe Stunde lang nur an einer einzigen Note zu arbeiten, bis die dann saß. Das ist zu einem gewissen Grad mit allen von uns passiert. Wir waren am Anfang Laien und wurden immer mehr zu Profis. Als wir merkten, dass wir gute Platten machen konnten und nicht diesen Schlager-Quatsch, wurden wir alle besser. Frida ist da eine Ausnahme. Sie war schon gut, als ich ihr begegnet bin. Sie beherrschte ihr Handwerk.“
Claes af Geijerstam, ein Popkünstler und Produzent, der 1973 beim Vorentscheid ABBA mit seiner Gruppe Nova ausgebremst hat und jetzt mit ihnen auf Tournee gehen wird, schätzt Agnethas musikalisches Talent, vor allem als Komponistin. Er findet es gut, dass sie wieder eine Solo-LP macht, dass ihr Licht bei ABBA nicht unter den Scheffel gestellt wird.
Claes: „Agnetha hat im Laufe ihrer Karriere sehr viele Stücke selbst komponiert, beinahe genauso viele wie Benny und Björn. Von allen schwedischen Interpreten hatte sie vermutlich die meisten selbst komponierten Hits in den Charts, mehr als Benny und Björn.“
Agnethas neue Platte „Elva kvinnor i ett hus“ (Elf Frauen und ein Haus) kommt vier Jahre nach der letzten Solo-LP heraus. Bis zum Jahr 1971 hat sie sich darum bemüht, möglichst jedes Jahr ein neues Album zu veröffentlichen. Ein Grund für die Verzögerung dieser Platte liegt darin, dass sich Agnetha nun auch in ihrer Solo-Arbeit um einen möglichst professionellen Sound bemühen möchte, der über frühere Schlagerambitionen hinausgeht. In Interviews spricht sie von Liedermachern wie Carly Simon oder Sängerinnen wie Carole King. Sie möchte gesanglich diesen Vorbildern nacheifern, und eine gute Produktionstechnik einbringen. Die Idee, auf dem Album in jedem Song eine verschiedene Frau zu spielen, stammt von Agnetha. Eigene Texte dafür zu schreiben, traut sie sich jedoch nicht zu. Björn so nahe an sich heranzulassen, möchte sie eher vermeiden. Und außerdem ist er selbst vollständig in den Aufbau von ABBA eingebunden. Also wird der Texter Bosse Carlgren mit der Aufgabe betraut. Er lebt auch in Vallentuna und gehört zum Freundeskreis von ABBA. Er hat für Agnetha schon im Jahr 1971 drei Lieder ihres letzten Albums getextet und übernimmt jetzt die Verantwortung für alle zwölf Songs der neuen Platte.
Wie arbeitet Agnetha an ihren Songs?
Carlgren: „Es war wirklich ungewöhnlich. Sie nahm englischsprachige Songtexte, beispielsweise von Simon & Garfunkel, und benutzte sie, um eigene Melodien zu finden. Sie sagte zu mir: Bei dem Text höre ich ein eigenes Lied. So ähnlich lief das bei mir. Wenn sie eine Zeile emotional ansprach, konnte sie dazu bereits eine Melodie hören. Und oft wandelte sie Liedtexte von anderen ab und machte eigene daraus, wenn auch ähnliche. The Boy Is Waiting wurde dann Und Er Wartet Auf Mich, und Come Into My Garden wurde Ein Garten Für Mich Allein.“
Das Album ist die letzte vertragliche Verpflichtung von Agnetha bei Cupol Records. Obwohl „S.O.S.“, das auch auf die Platte findet, zweifellos viele Menschen dazu bringt, sich diese überhaupt zu kaufen, steckt sie doch voll guter Arbeiten und beweist, dass sich Agnetha als Komponistin wie auch als Sängerin mittlerweile stark entwickelt hat. Die Melodien sind aufregend neu und reichhaltig.
Michael Tretow: „Mit Björn und Benny zu arbeiten, hat sie sehr stimuliert. Ihre frühen Arbeiten waren spontan und ohne großen Ehrgeiz entstanden. Als dann ABBA losging, hat auch Agnetha sehr akribisch an ihren Songs zu arbeiten begonnen.“
Agnetha: „Meine Ansprüche an mich selbst waren mit einem Mal so groß geworden, dass ich die meisten Lieder, die ich schrieb, auch wieder in den Papierkorb warf. Zurückgeblieben sind diese Lieder und zehn halbe, die ich wahrscheinlich nie fertigstellen werde.“
Die Kritik geht mit dem Album ungnädig um, was zu einem Großteil an den Texten liegt, die nicht den Zeitgeist treffen, vielleicht aber ihm schon längst voraus sind. Das Lied „Tack för en underbar vanlig dag“ (Danke für einen wunderbar normalen Tag) ist ironisch gemeint, wird aber blutig ernst
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