Agrarwende jetzt
Aber auch sie kommen allmählich auf den Geschmack.
Warum Tiere Biofutter bevorzugen, wissen wir nicht. Wir wissen aber zweifelsfrei, dass sie es tun. Vielleicht haben Tiere einen besseren Riecher als wir. Ein Adler kann ja auch besser sehen, ein Wal besser hören und Schmetterlinge besser riechen. Wenn ein Mensch deren Fähigkeiten hätte, würden wir ihn wahrscheinlich für einen Außerirdischen halten.
7. Franz Fischler als Querdenker und Querhandler
Franz Fischler ist ein Förderer des ökologischen Landbaus. Und das kam so: Als der heutige Landwirtschaftskommissar der Europäischen Union Ende der Achtzigerjahre in Wien Landwirtschaftsminister geworden war, ermunterte er auf einer Versammlung die jungen Bauern, die Höfe ihrer Eltern zu übernehmen. »Das können wir gar nicht, Herr Minister«, wurde ihm entgegengehalten. »Wir Bauern gelten als dumm und finden deshalb heute auf dem Dorf gar keine Frau mehr. Die jungen Frauen ziehen alle in die Stadt, und wir Jungbauern werden es auch tun müssen, wenn wir eine Familie gründen wollen.« Diese Bankrotterklärung des Bauerntums war für ihn ein Schlüsselerlebnis.
Der damalige Wiener Landwirtschaftsminister suchte ein neues Leitbild für eine ganze Bauerngeneration. Bald wurde ihm klar: »Das kann nur der ökologische Landbau sein. Da bleiben die Jungen im Dorf oder kommen wieder zurück. Und sie werden auch wieder eine Frau finden.«
So schlug er im Kabinett vor, Bauern künftig weniger für Überschussproduktion und deren Vernichtung zu subventionieren, sondern ihnen finanzielle Anreize für ökologische Leistungen zu bieten. Das Kabinett stimmte zu. Seit 1988 gibt es in Österreich direkte Förderung für Umsteller.
»Ging auch die Rechnung mit den Frauen auf?«, will ich von Franz Fischler wissen. Der groß gewachsene bärtige Bauer aus Tirol, der gar nicht ins Bild der eher steifen Brüsseler Eurokraten passt, lacht. »Wenn ich heute in Wien oder Salzburg oder Graz an der Universität einen Vortrag halte, kann es sein, dass anschließend junge Studentinnen zu mir kommen und sagen, dass sie nach dem Studium wieder zurück aufs Land wollen, um sich einen Biobauern zu angeln. Biobauern gelten heute als Männer von morgen und nicht mehr als dumme Bauern von gestern.«
In Österreich ist es für eine moderne junge Frau schick geworden, einen Ökobauern zu heiraten. Damit ist der entscheidende Schritt zur Trendwende vollzogen. Die Zukunftssicherung der Landwirtschaft durch Ökologisierung ist der Kulturauftrag für eine ganze Generation.
In Österreich wird der ökologische Landbau politisch seit 15 Jahren weit intensiver unterstützt als in Deutschland oder im übrigen Europa. Deshalb arbeitet in unserem Nachbarland schon jeder siebte Landwirt ökologisch - bei uns jeder vierzigste. In Österreich machen heute 30 000 agrarisch-ökologische Unternehmer vor, wie Ökonomie und Ökologie erfolgreich versöhnt werden können. 1988 wurde Franz Fischler noch belächelt. Das Engagement für ökologischen Landbau war eine absolute Außenseiterposition. Inzwischen gilt Biolandwirtschaft als besondere Attraktion - zum Beispiel für die Tourismuswerbung in Österreich. Der biologische Landbau wird als beispielhaft anerkannt. Die Österreicher sind zu Recht stolz auf ihre Vorreiterrolle. Der Durchbruch kam mit der Formulierung der Ziele der ökosozialen Agrarpolitik.
Die grüne deutsche Landwirtschaftsministerin hat in ihrem konsequenten Brüsseler Kollegen Fischler einen hilfreicheren Verbündeten, als sie am Anfang ihrer Ministerzeit geahnt hatte. Eine gute politische Voraussetzung für eine zeitgemäße Agrarwende jetzt!
Das Waldviertel in Nordösterreich ist es heute schon, und ganz Österreich kann der Feinkostladen Europas werden.
Allerdings haben 2000 österreichische Biobauern in den letzten vier Jahren wieder aufgegeben. Der wesentliche Grund dafür ist die fehlende Möglichkeit, in abgelegenen Gegenden Ökoprodukte zu vermarkten. Damit wird noch einmal deutlich: Ohne neue Vermarktungsstrukturen gibt es keine 100-prozentige ökologische Landwirtschaft. Die Agrarwende muss ökonomisch und politisch erkämpft werden.
Ohne Konfliktbereitschaft und Konfliktfähigkeit ist eine neue Landwirtschaftspolitik nicht durchzusetzen. Das Hauptproblem könnte sogar werden, dass es in BSE- und MKS-Zeiten überhaupt keine erklärten Gegner der Agrarwende mehr gibt. Die vielen falschen Freunde waren schon immer das große Problem einer wirklichen Reformpolitik. Gerhard
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