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Agrarwende jetzt

Titel: Agrarwende jetzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Alt , Brigitte Alt
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Wasser, es soll durstig auf den zunehmend mit Nährstoffen angereicherten Milchpudding bleiben, den man auf 38 Grad erwärmen muss, um weitere Durchfälle zu vermeiden. Die Folgen: Die Tiere schwitzen beim Essen, Juckreiz tritt auf, sodass die Tiere sich mit der Zunge zu lecken beginnen, dabei geraten die ausgerissenen Haare in den Pansen und bilden Fäulnis und Giftstoffe.
    Das alles geschieht, damit die Kälber jeden Tag mehr als ein Kilogramm zunehmen. In den Milchpudding wird nur sehr wenig Eisen gemengt, damit die Tiere blutarm bleiben und ihr Fleisch später auf dem Tisch schön weiß aussieht. Schwere Atembeschwerden und Kreislaufstörungen stellen sich ein, doch man kann sie vernachlässigen, denn bald schon wird das Kälbchen seinen Sarg aus vier Brettern verlassen, um mit Hunderten anderer Unglücklicher im städtischen Schlachthof angeliefert zu werden. In seinem ganzen Leben hat es nie eine Weide betreten, es hat nie mit seinesgleichen gespielt und getollt, es hat nie den Himmel und die Sonne gesehen. Sein Leben war eine einzige Qual, die den Züchtern und Tierhaltern indessen als so erfolgreich gilt, dass sie unter dem Konkurrenzdruck der EU-Marktrichtlinienordnung inzwischen zur Standardmethode auf den existenzbedrohten Höfen zählt und als geradezu vorbildlich in die Länder der Dritten Welt exportiert wird.«
    So ähnlich wie diesem exemplarischen Kälbchen geht es in Deutschland 63 Prozent aller Rinder und Kälber, 66 Prozent aller Mastschweine, 83 Prozent aller »Legehennen« und 99 Prozent aller »Masthühner«. Unsere Gleichgültigkeit gegenüber dem Leid der Tiere ist eine besondere Form der Grausamkeit.
    Die Würde des Menschen ist so lange antastbar, wie er die Würde der Tiere nicht beachtet. Können wir überhaupt von der Würde der Tiere sprechen? Geprägt hat den Begriff »Menschenwürde« Immanuel Kant. Wer Würde hat, ist »über allem Preis erhaben«. Danach kann man zwar Menschen nicht kaufen, wohl aber Tiere.
    Deshalb galten Tiere bis ins 20. Jahrhundert in den Gesetzbüchern als »Sache«. Die Schweiz hat 1992 in ihre Verfassung bahnbrechend »die Würde der Kreatur« eingefügt. Im deutschen Tierschutzgesetz gelten Tiere heute zwar als »Mitgeschöpfe«, nicht aber in unserem Grundgesetz. Sie grundgesetzlich als Mitgeschöpfe anzuerkennen, wäre eine solide Basis im Kampf um Tierrechte und ein Segen für die Tiere.
    Dieser Verfassungsrang wird aber Tieren oft mit der Begründung abgesprochen, sie hätten angeblich keine Einsicht in die Moral. Da haben Forscher wie Volker Sommer und Forscherinnen wie Jane Goodall ganz andere Erkenntnisse gewonnen. Die heutigen biologischen Einsichten machen es immer unmöglicher, Affen oder Löwen, Elefanten oder Delfinen, Bären oder Adlern ihre Würde abzusprechen. Selbst wer Tieren »moralisches Verhalten« abspricht, kann seriöserweise heute nicht mehr ihre Leidensfähigkeit leugnen. Auch wer noch Fleisch isst, müsste für folgende Werte plädieren:
    • artgerechte Haltung,
    • artgerechte Fütterung und
    • artgerechte veterinärmedizinische Hilfeleistung.

2. Menschenversessen und tiervergessen
    Schon der heilige Benedikt von Nursia warnte vor 1500 Jahren: Übertriebener Fleischgenuss macht aus jeder Gesellschaft ein Massenkrankenhaus. Bis zu 50 Prozent unserer Krankheiten sind ernährungsbedingt.
    In unserer Zeit verspeist ein deutscher Mensch im Laufe seines Lebens durchschnittlich 22 Schweine, sieben Rinder, 20 Schafe, 600 Hühner sowie zusätzlich Wildtiere, Süßwasser- und Meeresfische.
    Der Fleischhunger des Menschen scheint so unersättlich wie seine Respektlosigkeit gegenüber dem Tier grenzenlos ist. Die meisten Tiere, die wir uns einverleiben, werden heute künstlich erzeugt, maschinell gemästet und am Fließband geschlachtet - genauso wie es Reinhard Mey besungen hat. »Artgerechte« Tierhaltung ist zwar gesetzlich vorgeschrieben, doch hunderte Millionen Tiere werden auch in Deutschland geboren, gefoltert und getötet für »ökonomische Sachzwänge«. Die meisten Hühner und Schweine kennen nur diesen Lebensrhythmus: aufstehen, fressen, hinlegen, aufstehen... sterben.
    Nur die zweieinhalb Prozent Biobauern, die es heute in Deutschland gibt, haben sich zu artgerechter Tierhaltung verpflichtet. Für die Tiere heißt das: Stroh statt Spaltböden aus Beton, Tageslicht statt künstlicher Beleuchtung, im Stall Bewegungen und Auslauf statt lebenslanger Isolation oder Käfighaltung, langsame Mast statt Hormone und Antibiotika,

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