Agrarwende jetzt
Landwirtschaftsprobleme, es sind die Chemiekonzerne. Bauern sind immer deren erste Opfer.
12. Wege zum Ziel: Die Gemarkung Falkenberg
Viele Agrarlandschaften in Nord- und Ostdeutschland - weniger im Süden und Westen - haben durch die so genannte Flurbereinigung in den Sechziger- bis Achtzigerjahren des 20. Jahrhunderts ihren Charme verloren. Übrig geblieben sind meist ausgeräumte Agrarsteppen ohne Baum und Bach, durchzogen von einem tiefen Entwässerungsgraben. Störende Kuppen wurden abgetragen und Feuchtwiesen umgepflügt. Wertvolle Biotope und seltene Tier- und Pflanzenarten spielten keine Rolle. Die landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPGs) im Osten und die Großagrarier im Westen brauchten große plane Flächen für ihre riesigen Maschinen.
So verschwanden Kulturlandschaften, die in vielen Jahrhunderten gewachsen waren. Maschinen und Chemie ersetzten die Menschen auf »gehölzfreien Ackerflächen«, deren sandige Böden erheblich von Winderosion betroffen waren und sind. Sowohl auf landwirtschaftlich wie auch auf forstwirtschaftlich genutzten Flächen sank der Grundwasserspiegel.
Die Sünden der Vergangenheit sind zu besichtigen, wenn man mit dem ICE von Frankfurt nach Hamburg oder Berlin fährt. Rechts und links große ausgeräumte Flächen ohne Bäume und Bäche, ohne Hecken und Sträucher. Monokulturen. Jeder Baum und jeder Strauch wäre ein Hindernis für die 40-Tonnen-Maschinen, mit denen die Großbauern auf ihre Äcker fahren.
Wer dagegen auf einer der schönsten Bahnstrecken in Süddeutschland mit dem Interregio von Offenburg nach Konstanz durch den Schwarzwald fährt oder auch von Karlsruhe nach Nürnberg, sieht rechts und links noch eine kleinparzellige, abwechslungsreiche Landschaft mit Bächen und Bäumen, Hecken und Sträuchern. Zumindest noch teilweise Polykulturen.
Der Agrarökonom an der Universität Kiel, Professor Reimar von Alvensleben, übernahm zusammen mit seinem Sohn Albrecht 1991 die Gemarkung Falkenberg seiner Eltern, die zuvor von zwei landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften bewirtschaftet worden war.
Auch auf diesen Flächen bei Fürstenwalde in Brandenburg hatte die Agrarpolitik der früheren DDR gewütet.
Die negativen ökonomischen und ökologischen Folgen waren überall offensichtlich:
• Starke Winderosion beschädigte die Böden.
• Die Pflanzen erlitten Trockenschäden.
• Der Grundwasserspiegel sank.
• Viele charakteristische Tier- und Pflanzenarten verschwanden.
Die Familie von Alvensleben gestaltete vor zehn Jahren die Flächen wieder kleinteiliger, pflanzte Hecken und Bäume an, organisierte Biotopverbände und schuf eine Streuobstwiese. Das Gut Falkenberg wird bis heute konventionell, aber mit stark reduziertem Pflanzenschutzmittel-Einsatz bewirtschaftet. Die 368 Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche und 600 Hektar Wald bieten heute wieder ein völlig anderes Bild als noch vor zehn Jahren.
In der Zwischenzeit wurden 30 000 Gehölze mit ganzen Baumalleen angepflanzt und die Waldränder wieder vielfältig gestaltet. Über sieben Kilometer Benjeshecken wurden als Schutz vor Winderosion gesetzt sowie die Bodenund Wasserqualität deutlich verbessert. Von standorttypischen Obstbäumen wird eine Vielfalt guter Ernten erwartet. Gepflanzt wurde eine ganze Palette alter einheimischer Obstbäume:
• 26 Sorten Äpfel
• 14 Sorten Birnen,
• 6 Sorten Kirschen und
• 5 Sorten Pflaumen.
In den zwei Fließgewässern auf Falkenberg konnte der Grundwasserbestand angehoben werden. Tümpel und Teiche entstanden wieder und kleine Fischarten kehrten ebenso zurück wie die Kröten. Auf den Feldern sind wieder Ackerwildkräuter zu sehen. Das Mikroklima hat sich für Pflanzen und Böden ebenso verbessert wie die Bodenund Luftfeuchtigkeit. Heckenbrüter sind zurückgekehrt, aber auch der Laubfrosch und eine Vielzahl von Insekten und Schmetterlingen.
Mit dem Beschreiben der Flurneugestaltung und dem Biotopverbund Falkenberg will ich zeigen, dass es zwischen der unverantwortlichen Agrarindustrie und den strengen Regeln des konsequent ökologischen Landbaus erfolgreiche Kompromisslösungen und Schritte auf dem Weg zum Biolandbau geben kann und auch künftig geben wird.
Diese Kompromisslandwirtschaft heißt »Integrierter Anbau«. Hier wird nicht ganz auf Pestizide verzichtet, aber der Einsatz minimiert. Die Bauern verzichten auf vorbeugendes Spritzen und beachten die Fruchtfolge. Sie legen Randstreifen an, die Nützlingen Lebensraum bieten.
An
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