Agrarwende jetzt
guten Standorten, so eine Vergleichsstudie des Forschungs- und Studienzentrums Landwirtschaft und Umwelt an der Universität Göttingen, erzielen die Landwirte bei »integriertem Anbau« gleichwertige Ergebnisse wie herkömmlich wirtschaftende Bauern. Die Ernteerträge seien zwar etwas niedriger, aber auch die Kosten, weil Landwirte bei geringerem Pestizid- und Stickstoffeinsatz Geld sparen. Nur etwas ist bei integriertem anders als bei konventionellem Anbau: Bauern müssen ihre Felder und Früchte intensiver beobachten, um im Notfall doch zu spritzen.
Die Göttinger Studie belegt, dass integrierter Landbau gegenüber dem herkömmlichen deutliche Umweltvorteile aufweist, wenn auch weniger als der Biolandbau. In der Schweiz arbeiten schon heute 90 Prozent der Landwirte integriert - das heißt, sie sind auf dem Weg in die ökologische Agrarwende.
V. Kapitel
Wen wollen wir schlachten?
1. Die Würde des Schweins ist unantastbar
»›Jägersalat‹, lese ich an einer Fleischtheke im Supermarkt. Da bin ich aber richtig erschrocken: Geht es jetzt den Jägern selbst an den Kragen?, schoss es mir durch den Kopf. Fleisch und Wurst esse ich seit Jahren nicht mehr - da ich meine Freunde nicht essen möchte. Jäger gehören zwar nicht zu meinen Freunden - aber ich gehe trotzdem am Jägersalat vorbei.«
Der Sänger und Lyriker Reinhard Mey erzählt diese hübsche Geschichte und singt anschließend das Lied eines Schweins, dessen Mutter ihm einst gesagt hatte: »Die Würde des Schweins ist unantastbar.« Die ganz realistische Beschreibung eines normalen Schweinelebens heute:
»In einer engen Box war es,
auf Beton und standesgemäß,
dass sie die Glühbirne der Welt entdeckte.
Sie war das Ferkel Nummer vier,
drei andre lagen über ihr,
so ein Gedränge, dass sie fast erstickte.
Schon nach zwei Wochen Säugakkord
kam jemand und nahm Mutter fort.
Doch noch als die Erinnerung schon verblasst war,
fiel’n manchmal dem jungen Schwein
der Mutter Worte wieder ein:
Die Würde des Schweins ist unantastbar,
hmmmm, die Würde des Schweins ist unantastbar.
Der Kerker wurde ihr Zuhaus,
an einem Fleck tagein tagaus,
und immer im eigenen Dreck rumsitzen.
Die feine Nase, der Gestank,
sie wurde traurig, wurde krank,
und als sie sehr krank wurde, gab es Spritzen.
Sie wurd zum Decken kommandiert,
das hat sie niemals akzeptiert,
dass Schweinesein nur Ferkelzucht und Mast war.
Und wenn man ihren Willen brach,
dachte sie dran, wie Mutter sprach:
Die Würde des Schweins ist unantastbar,
hmmmm, die Würde des Schweins ist unantastbar.
Dann fuhr der Viehtransporter vor,
und packte sie an Schwanz und Ohr,
zusammen mit ihren Leidensgenossen.
Die zitterten und quiekten bang,
und fuhr’n und standen stundenlang,
viel enger noch als üblich eingeschlossen.
Das Schwein ist schlau, so ahnt es schon,
die tragische Situation,
sie wusste, dass dies ihre letzte Rast war.
Sie hat den Schlachthof gleich erkannt,
und sie ging ohne Widerstand.
Die Würde des Schweins ist unantastbar,
hmmmm, die Würde des Schweins ist unantastbar.
Sie hat den Himmel nie gesehn,
durft nie auf einer Weide stehn,
hat nie auf trocknem, frischem Stroh gesessen.
Sie hat sich nie im Schlamm gesuhlt,
freudig gepaart, und eingepoolt,
wie könnt ich dies Häufchen Elend essen.
Die Speisekarte in der Hand,
seh ich über den Tellerrand,
und kann die Bilder wohl nie mehr vergessen.
Ich möchte nicht, du armes Schwein,
an deinem Leid mitschuldig sein,
weil ich in diesem Restaurant zu Gast war.
Und ich bestell von nun an wohl
den überbacknen Blumenkohl.
Die Würde des Schweins ist unantastbar,
die Würde des Schweins ist unantastbar.«
Wenn wir Tiere und uns selbst von der alltäglichen Tierbarbarei befreien wollen, werden wir eine Ethik entwickeln müssen, die Albert Schweitzer so beschrieben hat:
»Ethik besteht darin, dass ich die Nötigung erlebe, allem Willen zum Leben die gleiche Ehrfurcht entgegenzubringen wie dem eigenen.
Ethik ist ins Grenzenlose erweiterte Verantwortung gegenüber allem , was lebt.«
Die Wirklichkeit am Beginn des 21. Jahrhunderts sieht aber so aus, wie sie Eugen Drewermann in der »Zeit« beschreibt, indem er die Lebensgeschichte eines Kälbchens analysiert:
»Acht Tage nach seiner Geburt wird das Jungtier von seiner Mutter getrennt und in die Mastanstalt transportiert, wo es mit Medikamenten voll gepumpt wird und als Nahrung fortan einen Magermilchtrunk erhält, der zu Durchfällen und allmählichem Austrocknen führt. Das Tier erhält aber kein
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