Agrarwende jetzt
gemeinsame Erkenntnis aller Weisheitslehrer und Religionsstifter heißt: »Wir können nur ernten, was wir säen.« Diese Einsicht wäre die Voraussetzung zur Überwindung der Massentierhaltung und Massentierquälerei. Aus der Magna Charta des Abendlandes »Der Mensch im Mittelpunkt« könnte sich die neue ethische Einsicht »Das Leben im Mittelpunkt« entwickeln.
Der Schlüsselsatz in der Bergpredigt, die weltberühmte und in allen Religionen bekannte »Goldene Regel« heißt:
»Behandelt die Menschen so,
wie ihr selbst von ihnen behandelt werden wollt«
(Matthäus 7,12).
Diese Goldene Regel kann vernünftigerweise vor dem Hintergrund des Massenelends der Tiere nur so gelesen werden, dass wir uns auch in sie hineindenken und hineinfühlen.
Dann würde sich folgende Szene vor einem Fischrestaurant im Schwarzwald nicht mehr abspielen. Das idyllisch im Tal gelegene Gasthaus ist bekannt für seine »Forellenzucht in eigenen Teichen«.
Nachfragen ergeben, dass die Forellen aus Norwegen kommen. Eine der »Attraktionen für Touristen« ist, dass sie die Forellen, die sie verspeisen oder mit nach Hause nehmen wollen, im Teich selbst fangen können. Eine Gruppe Jugendlicher fängt unter Gejohle einige Fische mit einem Netz. Eine Forelle nehmen sie in die Hand und schlagen ihr mit einem Stock immer wieder auf Kopf und Nacken. Das arme Tier windet sich in seiner Atemnot, seinen Schmerzen und seiner Todesangst. Die Mädchen drehen sich entsetzt ab, die Jungen sind ganz bei der Sache. Mehrfach entkommt die Forelle ihren Totschlägern in Richtung Teich. Schließlich - nach einer Minute - ist sie endlich tot. Warum hält uns das viel zitierte deutsche Sprichwort »Was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem anderen zu« nicht von solcher Totschlägerei ab? Dieses Sprichwort ist nichts anderes als die popularisierte Form der Goldenen Regel.
In den Naturwissenschaften haben wir seit 300 Jahren riesige Fortschritte erzielt, ethisch aber und in unseren Emotionen gegenüber Tieren sind wir infantil geblieben und geradezu behindert. Wir könnten es längst wissen: Die von Buddha und Jesus geforderte Barmherzigkeit meint auch Barmherzigkeit gegenüber Tieren.
Man muss einem Rind oder einem Pferd, einer Katze oder einem Hund nur einige Sekunden bewusst ins Gesicht und in die Augen schauen, und man beginnt etwas von unserer Verwandtschaft mit den Tieren zu ahnen.
Das englische »animal« (Tier) kommt vom lateinischen »anima« (Seele). Diese Verwandtschaft von Mensch und Tier haben wir verdrängt. Was haben uns die Tiere angetan, dass wir sie so behandeln? Unser real existierender Umgang mit Tieren ist legalisiertes Verbrechen. Wir stehen erst am Anfang eines neuen Miteinanders aller Lebewesen. Juristisch gesprochen: Im Mittelpunkt jeder rechtsstaatlichen Rechtsprechung steht das Recht der Schwächeren. Wo dieser Grundsatz nicht gilt, gibt es keinen Rechtsstaat. Die Rechte der Tiere sind die Rechte der Schwächeren.
Der Artikel 20 des Grundgesetzes schreibt den »Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen« fest. Er sollte als Konsequenz aus dem BSE-Skandal jetzt ergänzt werden durch eine Bestimmung wie: »Tiere werden als Mitgeschöpfe geachtet. Sie werden vor nicht artgerechter Haltung, vermeidbaren Leiden und in ihren Lebensräumen geschützt.«
Unter anderem wäre diese Revision nötig, weil BSE in England bislang über hundert Menschenleben gefordert hat. Die Universität Oxford schätzt, dass es in 40 Jahren bis zu 136 000 sein können.
Der britische Biologe Dr. Steven Dealer hat ab 1990 in England als erster Wissenschaftler öffentlich vor der BSE-Katastrophe gewarnt. Damals wurde er noch von seinen Kollegen diskriminiert und geächtet. Die Regierung drohte ihm mit dem Entzug von Forschungsgeldern. Heute gilt er in England als Prophet, der Recht hatte. Im Frühjahr 2001 fragte ich Dr. Dealer, für wie realistisch er die Zahl von möglichen 136 000 Toten halte. Seine Antwort: »Es werden sehr wahrscheinlich mehr werden. Die englische Regierung handelte und handelt gegenüber dem BSE-Problem kriminell.«
Mahatma Gandhi, Nobelpreisträger und Führer der indischen Unabhängigkeitsbewegung, war davon überzeugt: »Die Größe und den moralischen Fortschritt einer Nation kann man daran messen, wie sie Tiere behandelt.«
Mein Kollege Manfred Karemann hat in einer Fernsehreportage dokumentiert, wie es um »Größe und moralischen Fortschritt« hierzulande bestellt ist. In der Europäischen Union werden seit langem
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