Agrippina - Kaiserin von Rom
Claudius Caudex, der Erste,
der mit seiner Flotte über die Meeresenge von Messina segelte
und die Carthager aus Sicilia vertrieb; Claudius Nero, der den
aus Hispania mit ungeheurer Heeresmacht anrückenden
Hasdrubal schlug, bevor er sich mit Hannibal vereinigen konnte.
Jeder hier weiß, dass ich diese Aufzählung noch lange fortsetzen
könnte. Immer war dieses Geschlecht ein überzeugter Verteidiger
der Macht und der Ehre Roms.
Der Verstorbene nun, der große Tiberius Claudius Drusus, den
die Götter viel zu früh abberufen haben, auch er hat seinem
großen Geschlecht zur Ehre gereicht. Das ferne Britannien hat er
in einem gewaltigen Kriegszug unterworfen und zur Provinz des
Reiches gemacht. Während seiner ganzen Regierungszeit hat der
Staat keinerlei Verluste durch äußere Feinde erlitten. Auch auf
den Gebieten der Wissenschaft, der Jurisprudenz und der
Literatur hat er sich große Verdienste erworben. Zu loben sind
aber auch seine Umsicht und seine Weisheit, die er in den Jahren
seiner Regentschaft immer wieder unter Beweis gestellt hat.«
Bei der Erwähnung dieser Tugenden machte sich zum ersten Mal Unwillen unter den Zuhörern breit. Die einen begannen zu kichern, die anderen protestierten. »Ich hab’ ihn als Richter erlebt«, meinte einer und blickte herausfordernd um sich, »jedenfalls, solange er nicht geschlafen hat!« Ein anderer meinte lachend: »Er war viel zu sehr damit beschäftigt, die Hörner zu putzen, die ihm seine Weiber aufgesetzt haben!« Und ein Dritter murmelte voller Empörung: »Wie kann der da von Weitsicht und Weisheit in der Regierung sprechen, da er sie doch immer nur seinen ehemaligen Sklaven überlassen hat.«
Nero schien zu merken, dass er mit den letzten Bemerkungen kaum den Geschmack des Volkes getroffen hatte und brachte die Rede zu einem schnellen Abschluss. Nach einer letzten Verbeugung vor dem offenen Sarg bestieg Nero seinen Wagen und der Zug setzte sich wieder in Bewegung. Mühsam reihte sich Valerius in die gewaltige Masse derer ein, die dem Leichenzug über die Via Lata zum Marsfeld folgte. Vorbei an der Curia , dem alten Senatsgebäude aus den Tagen der Republik, passierte der Zug den Carcer Mamertinus, das düstere Gefängnis Roms. Die Überschrift über dem schmalen Tor mahnte weithin sichtbar:
Ihr, die ihr hier eintretet, lasset alle Hoffnung fahren!
Unter diesem Kerker, eingehauen in den harten Fels, befand sich ein zweiter Kerker, das Tullianum. Hier waren die Anhänger Catilinas unter Ciceros Consulat vom Henker erwürgt worden, hier hatteder germanische Volksheld Vercingetorix nach seiner Niederlage gegen Cäsar auf seine Hinrichtung gewartet. Ein langer, schmaler, durch Eisentüren verschlossener Gang führt in das Mamertinum, den oberen Raum, in den die Gefangenen zuerst gebracht wurden. Hier erhielten sie eine erste Ahnung von dem, was ihnen bevorstand, denn die Schläge, das Klatschen der Peitsche und die Schreie der zu Tode Gepeinigten drang deutlich von unten herauf. Dieser Kerker war viel zu klein, um den Gefangenen für einen längeren Aufenthalt zu dienen. Sie weilten hier nur zum Verhör oder zur Vollstreckung der Strafe, die regelmäßig im Erwürgen durch den Henker bestand. Jugurtha, der unglückliche König Numidiens, hatte hier sechs Tage ohne Nahrung und Wasser verbracht, bevor ihn die gnädige Hand des Henkers von seinen Qualen erlöste.
Der Zug nahm jetzt seinen Weg durch den Triumphbogen, den der Senat nach dem Britannienfeldzug zu Ehren des Verstorbenen hatte errichten lassen. Immer wieder geriet der Zug ins Stocken, weil die Zuschauer den Weg derart verengten, dass die Gardisten Mühe hatten, ihn wieder freizuräumen.
Endlich kam die weite Fläche des Marsfeldes in Sicht. Am Rand von Rom gelegen, war sie über Jahrhunderte unbebaut geblieben und wurde für sportliche und militärische Übungen genutzt. Erst unter Cäsar und Augustus hatte die Bebauung begonnen, wobei peinlich darauf geachtet worden war, dass genügend Platz für Wagen- oder Pferderennen, Ballspiele und Ringkämpfe erhalten blieb. Das größte Gebäude war das am nördlichen Rande gelegene Mausoleum des Augustus, das von einem gewaltigen Erzstandbild des Kaisers beherrscht wurde. Im Inneren befanden sich die Gräber von ihm und seinen Angehörigen. Hier sollte auch Claudius seine letzte Ruhe finden.
Das ganze Marsfeld war von Menschen überfüllt, die versuchten, einen Blick auf die Zeremonie zu erhaschen. Auch Valerius kam nicht näher heran, sondern
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