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Agrippina - Kaiserin von Rom

Agrippina - Kaiserin von Rom

Titel: Agrippina - Kaiserin von Rom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf D. Sabel
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Marcus Valerius Messala unvermittelt.
    »Ich bin mir nicht sicher«, antwortete Valerius nach kurzem Zögern. »Hört man sich auf den Straßen Roms um, so freuen sich die Menschen über den jungen Regenten. Seneca erzählt mir, dass er noch der Führung bedarf, und hat schon die ersten Ratschläge verfasst. Ich selbst habe noch kein Wort mit ihm gesprochen und werde auch wohl kaum die Gelegenheit dazu erhalten. Wie du weißt, hat er mich aus der Garde entfernen lassen. Auch weiß ich nicht, ob er überhaupt in Agrippinas Komplott eingeweiht war.«
    »Man wird abwarten müssen. Abwarten auch, wie groß der Einfluss der Mutter auf den Sohn ist. Außerdem interessiert mich brennend die Frage, wie er mit seinem Stiefbruder Britannicus umgeht, den immer noch viele für den rechtmäßigen Thronfolger halten …«
    Zur Freude seiner Eltern blieb Valerius noch weitere fünf Wochen. Er machte Ausritte durch die weiten Ebenen, traf sich abends mit früheren Freunden in den Tabernen des Ortes oder diskutierte mit seinem Vater über Philosophie und die politischen Verhältnisse in Rom. Die erholsamen Wochen im Hause seiner Eltern vergingen wie im Flug, und die Stunde des Abschieds kam schneller als gedacht. Seine Mutter wollte ihn kaum gehen lassen, hatte tausend Einwände und Vorschläge, fügte sich aber schließlich in das Unvermeidliche.
    »Komm recht bald wieder, mein Lieber, und dann bringst du deine Dirana mit. Ich möchte sie zu gerne kennen lernen«, gab sie ihm mit auf den Weg und umarmte ihn lange zärtlich.

XXV.
Saturnalien
    Dezember des Jahres 54 n. Chr.

    Kalt ist es in den Zellen der Castra Praetoria . Der feuchte Wind kriecht durch die zahllosen Ritzen und bildet Tropfen, die an den nackten Wänden herabrinnen. Eine dicke schwarze Spinne läuft auf der Suche nach Nahrung über den kalten Boden und unter die Liege, wo sie vielleicht ein paar Brosamen finden kann. Die alte Frau mit den schlohweißen, aufgelösten Haaren sieht sie nicht. Unruhig dreht sie sich auf der harten Liege und blickt durch das winzige Fenster in die Freiheit. Ihre schwieligen Hände sind zur Faust geballt, und die trockenen, aufgesprungenen Lippen murmeln ohne Unterlass Fluch auf Fluch. Dann erhebt sie sich ächzend und schlurft zum Fenster. Während sie ihren Blick über den leeren Exerzierplatz schweifen lässt, krallen sich ihre gichtigen Finger um die rostigen Gitterstäbe, und mit unhörbarer Stimme betet sie zu Persephone, der unheimlichen Göttin der Unterwelt.
    Plötzlich wird ihr Gebet unterbrochen. Mit einem Ruck öffnet sich die Tür, und zwei Männer betreten den Raum. Die Alte kennt sie beide. Es sind Tullius Torquatus Niger und Julius Pollio, Tribun einer Prätorianerkohorte und ein besonderer Vertrauter des neuen Kaisers. Auch er hat sie schon in ihrer Behausung auf dem Aventin besucht, ein alter Kunde sozusagen.
    Ein höhnisches Grinsen zieht über die Lippen des Hageren, der wie immer einen schwarzen Mantel trägt.
    »Ich hoffe, du genießt unsere Gastfreundschaft«, sagt er und streicht sich über seine rote Narbe.
    »Fahr in den Hades, du Schurke!«, schreit Locusta ihm entgegen.
    »Na na, wer wird denn so undankbar sein ... Besser als deine feuchte Höhle auf dem Aventin ist doch diese Zelle allemal. Und das Essen kann sich sehen lassen, oder?«
    Mit einem Fluch tritt die Alte gegen den Essensnapf, der gegen die Wand knallt und zerbricht.
    »Freilich wirst du deine Kröten und Schlangen vermissen, nicht wahr?«, fährt Niger ungerührt fort. »Und das ist auch der Grund für unseren Besuch. Einmal noch benötigen wir deine Dienste, und dann wirst du deine Freiheit wiederhaben, das gelobe ich bei den Göttern! Bist du uns aber nicht zu Willen, wird dir der Henker morgen deinen dünnen Hals durchschneiden!«
    Julius Pollio nickt schweigend. Misstrauisch starrt die Alte die beiden an. Sie fürchtet den Tod nicht, sehnt sich aber nach der Freiheit. Und doch, zu viele Versprechungen wurden schon gebrochen.
    »Hattest du mir nicht auch beim letzten Mal zugesagt, mir die Freiheit zu erhalten? Habe ich dir nicht treu gedient? Ist nicht der alte Cäsar durch meinen Trank ...?«
    Der Tribun drückt ihr seine Hand auf den Mund. »Schweig, Alte! Bist du von Sinnen, so etwas hier zu sagen?«
    Die Hexe wendet sich murmelnd ab und tritt erneut zum Fenster.
    »Die Freiheit?« Niger nimmt wieder das Wort. »Ist es das, was du willst? Nun, du kannst sie haben. Aber einen Trank musst du mir noch mischen! Und mehr noch: Ich bin in höherem

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