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Agrippina - Kaiserin von Rom

Agrippina - Kaiserin von Rom

Titel: Agrippina - Kaiserin von Rom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf D. Sabel
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    In Colonia Claudia Ara Agrippinensium herrscht der Ausnahmezustand! Aber es ist nicht Krieg, und es sind auch keine Barbarenhorden über die Ubierstadt hergefallen, obwohl es in manchen Gassen der Stadt so aussieht. Keine furchtbare Seuche hat die Bewohner dahingerafft, keine Naturgewalt droht mit schrecklicherVernichtung, kein feindliches Heer steht waffenstarrend vor den Mauern. Und doch herrscht der absolute Ausnahmezustand!
    Die Kinder haben schulfrei, und die Sklaven dürfen ungestraft ihre Meinung sagen. Sie speisen gemeinsam mit ihren Herren oder lassen sich sogar von ihnen bedienen. Die Gerichte sind geschlossen, ebenso die meisten Geschäfte. Nur die Kneipen, Garküchen und Gasthäuser haben geöffnet und sind alle zum Bersten voll. Bei den üppigen Gastmählern fließen Wein, Met und Cervisia – mehr noch als sonst – in Strömen, und viele scheuen sich nicht, kaum bekleidet herumzutanzen. Wer nüchtern ist, fällt unangenehm auf! Jede Trinkrunde – und derer gibt es viele – wählt ihren Rex bibendi, einen Trinkkönig, und befolgt dessen unsinnige Befehle. So springen sie in kalte Brunnen, laufen auf allen Vieren, klettern nackt auf Bäume oder urinieren singend gegen das nächste Denkmal. Und zwischendurch immer wieder die Schlachtrufe der Saturnalier: » Io Saturnalia! Io Saturnalia! Carne valeas, carne valeas! – He, Saturnalien! Lass es deinem Körper gut gehen!« Laute Fröhlichkeit, närrische Aktivitäten und ausgelassene Zügellosigkeiten jeder Art beherrschen die Straßen der Ubierstadt, sogar das Glücksspiel, ansonsten streng verboten, ist an diesen drei Tagen erlaubt. Selbst die winterliche Kälte kann das Treiben nicht hindern, so wenig wie der Schnee, der in dicken Flocken herabgefallen ist und das ganze Land wie mit einem weiten weißen Teppich bedeckt hat.
    Das alte stadtrömische Fest, in alter Zeit einmal als Feier zum Abschluss der Ackerarbeiten des vergangenen Jahres und damit zu Ehren des Bauerngottes Saturn eingerichtet, hat längst seinen ursprünglich religiösen Charakter verloren und liefert den Vorwand für jede Art von unnützem Treiben. Aus der fernen Hauptstadt hat es seinen Weg in die Provinzen gefunden, und auch die Einwohner der jungen Stadt am Rhenus wollen auf diese Vergnügungen nicht mehr verzichten. Fragt man einen der freien Bürger oder gar einen Sklaven, was sein liebstes Fest im Laufe des Jahres sei, so erhält man mit Sicherheit die Antwort: die Saturnalia .
    Nur wenige halten sich abseits und betrachten das Treiben mit Abscheu. Für sie verlieren ihre Mitbewohner regelmäßig einmal im Jahr ihre Würde. Maternus und die Seinen gehören dazu. Sie gehen still ihrer Wege, halten ihre Gottesdienste ab und beten zu ihremgekreuzigten Gott, dass er den Menschen ihre Vernunft zurückgebe. Aber das stört die anderen nicht. »Nicht wir sind verrückt, wenn wir uns ein wenig vergnügen, sondern die da, die keinen Spaß verstehen!«
    ***
    Zwei Reiter, in dicke Mäntel eingehüllt, näherten sich langsam dem Westtor der Stadt. Pferde wie Reiter waren erschöpft. Behutsam lenkten die Männer ihre Pferde über die vereiste Straße. Die Ubiersiedlung vor den Stadtmauern wirkte wie ausgestorben. Nur ab und zu huschte ein Schatten oder ein streunender Hund durch die eisige Nacht.
    »Endlich zu Hause!«, murmelte Gaius und blickte voller Freude auf die Wehrmauer der Ubierstadt.
    Diesmal hatten sie fast vier Wochen für die Reise von Rom an den Rhein gebraucht, aber im Winter ist das Reisen eben wesentlich länger und beschwerlicher.
    »Man wird uns in der Legion schon vermissen«, sagte Valerius, »wir haben unseren Urlaub überzogen.«
    »Interessiert mich nicht«, brummte Gaius. »Uns wird schon etwas einfallen. Wo wollen wir übernachten?«
    »Das Gästehaus im Prätorium scheidet aus, das werden sie uns kaum anbieten. Aber ich kenne ein anständiges Gasthaus am Forum .«
    Obwohl sie noch mehr als hundert Schritt von der Stadt entfernt waren, wehte der kalte Ostwind den Feierlärm herüber. Lieder und Musik, kreischende Frauen und schreiende Männer begrüßten die Ankommenden.
    »Und ich hatte schon gehofft, man würde hier die Saturnalien nicht kennen«, rief Valerius unwillig.
    »Du hast dich getäuscht, mein Lieber. So wie ich das sehe, wirst du heute deinen Argober bewirten müssen.«
    »Ich vermute, bei den Neuigkeiten, die ich für ihn habe, wird er gerne darauf verzichten, meinst du nicht?«
    Gaius nickte. »Die Götter haben uns geholfen. Ohne sie wäre

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