Agrippina - Kaiserin von Rom
unbedingt pflegen und erhalten müsse.
Seit zwei Wochen war er nun schon eingesperrt, und seine Wut auf alle, die das zu verantworten hatten, wuchs ins Unermessliche. Rachegedanken bemächtigten sich seiner Seele und boten ihm die einzige Abwechslung. Dann, an einem Morgen, der ebenso trostlos wie jeder andere begonnen hatte, wurde die Tür seiner Zelle plötzlich aufgerissen, und zwei Legionäre brachten ihn wortlos in einen Raum, den er nicht kannte. An einem alten Holztisch saß – Tullius Torquatus Niger.
Die Wachen entfernten sich, und Valerius blieb mit dem Mann allein, den er mehr als alle anderen hasste. Der Blick, mit dem der Schwarze ihn musterte, war nicht einmal unfreundlich zu nennen.
»Das Schicksal scheint uns doch immer wieder zusammenzuführen.«
»Ich weiß nicht, ob es wirklich das Schicksal ist!«, stieß Valerius mit zusammengepressten Lippen hervor.
»Du hast Recht«, nickte Niger. »Wir wollen mit offenen Karten spielen. Man hat dir und deinem Freund übel mitgespielt.«
Valerius sah ihn erstaunt an. Das waren sehr ungewohnte Worte aus dem Mund dieses Mannes.
»Ich weiß, du siehst in mir deinen Feind, und wahrscheinlich würdest du mir sofort an die Kehle gehen, wenn du könntest, nicht wahr?«
»Wundert dich das?«
»Nein.« Niger lächelte. »Ich verstehe das. Aber betrachte doch die ganze Angelegenheit einmal aus meiner Sicht. Ich unterstehe der Augusta , und ich bin ihr so treu ergeben, wie du es dem verstorbenen Cäsar warst. Das ehrt dich übrigens ... Ich habe nach bestem Wissen meine Befehle ausgeführt, nicht anders als du.«
»Aber ich hatte nicht den Befehl zu morden!«
»Stimmt. Aber manchmal muss man im Interesse der Staatsraison auch zu solchen Mitteln greifen. Ich würde immer wieder so handeln. Salus publica suprema lex esto! – Das öffentliche Wohl solldas oberste Gesetz sein! So hat es der unvergessliche Cicero ausgedrückt, nicht wahr? Und hat nicht Cicero nach eben jenem Grundsatz gehandelt, als er die Mitverschwörer Catilinas gegen jedes Recht an Ort und Stelle hinrichten ließ? Er hat es mit der Verbannung gebüßt, und doch hat er später gesagt, dass er immer wieder so handeln würde.«
Valerius lachte geringschätzig auf. »Bei den Göttern, wie vermessen ist es, eure Untat mit dem Handeln Ciceros zu vergleichen.«
»Das ist deine Sicht der Dinge, und man kann kaum erwarten, dass ein einfacher Tribun Einsicht in die Notwendigkeiten der Staatsführung hat. Aber lassen wir das! Ich bin gekommen, um dich zu befreien. Dich und deinen Freund Gaius!«
Valerius war völlig verblüfft. »Befreien? Du uns?«
» Sic ! Ich gebe dir mein Wort, dass die Augusta nichts von deiner Inhaftierung wusste. Es geschah auf Anordnung des neuen Kaisers. Als sie davon erfuhr, hat sie nicht eher geruht, bevor dieser Fehler korrigiert wurde. Übrigens hattest du in Seneca und Burrus zwei weitere einflussreiche Fürsprecher. Und aus diesem Grunde bin ich hier. Als Gegenleistung erwarte ich nur eins ...«
»Und was soll das sein?«
»Du wirst mir dein Ehrenwort als Tribun geben, dass du niemals über die zurückliegenden Vorfälle sprichst, zu niemandem und zu keiner Zeit! Dasselbe gilt für Gaius Tullius.«
»Wäre es nicht einfacher, ihr würdet uns umbringen?«, fragte Valerius nach einer kurzen Pause.
»Ja, das wäre einfacher«, gab Niger offen zu. »Aber wie schon gesagt, die Augusta ist dagegen. Sie scheint einen Narren an dir gefressen zu haben. Sie meint, dass man sich auf euer Offiziersehrenwort verlassen kann. Würdet ihr es brechen, wäre euer Tod die unvermeidliche Konsequenz.«
»Aber es gibt noch andere, die von alldem wissen.«
»Du meinst Maternus und seine verrückte Anhängerschaft? Sei unbesorgt, sie haben vor zwei Tagen einen Eid auf ihren Gott geleistet, und das war der Preis für ihr Leben. Sie haben ihn gerne gezahlt.«
»Was ist, wenn ich mich weigere?«
»Dann wirst du zunächst deine Strafe hier absitzen, doch das ist erst der Anfang. Danach wirst du versetzt.«
»Versetzt?«
»Auf die Pacatrix Augusta . Eine Trireme der Classis Britannica. Dort sind einige Ruderer ausgefallen.«
»Ihr wollt mich zum Galeerensklaven machen?«
»Nur wenn du uns keine andere Wahl lässt. Übrigens würde unmittelbar nach deinem Abtransport nach Britannien eine Freigelassene namens Dirana unter dem Vorwurf des Verrats festgenommen und an einen Sklavenhändler verkauft. Jetzt denk nach. Du hast eine Stunde Zeit. Dann komme ich zurück!« Niger stand auf und
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