Agrippina - Kaiserin von Rom
verließ den Raum, ohne den Tribun nochmals anzusehen.
Valerius spürte, dass er keine Wahl hatte. Die Vorstellung, Dirana in den Händen eines Sklavenhändlers zu wissen, war fast noch schlimmer als der Gedanke an die Galeere. Schon nach kurzer Zeit stand sein Entschluss fest. Was konnte es dem toten Claudius nutzen, wenn er sein Wissen anderen mitteilte? Alea est iacta – Der Würfel ist gefallen. Das Wort des großen Cäsar galt auch für ihn. Und als Niger nach der vereinbarten Zeit zurückkam, traf er auf einen sichtlich entspannten Tribun.
»Ich akzeptiere deinen Vorschlag, aber ich verknüpfe damit eine Bedingung.«
»Eine Bedingung? Du bist wohl kaum in der Lage, Bedingungen zu stellen.« Tullius Torquatus Niger zog die rechte Augenbraue hoch. »Aber gut, lass hören!«
»Es gibt in Colonia Claudia Ara Agrippinensium einen Staatssklaven namens Argober. Ich wünsche seine Freilassung. Außerdem dienen seine Frau und seine beiden Kinder als Sklaven in einer Caupona in Divodurum. Sie sind freizukaufen und als Familie zusammenzuführen.«
Die Lippen des Schwarzen verzogen sich zu einem dünnen Lächeln. »Es steht in meiner Macht, dir diese Bitte zu gewähren. Einverstanden, ich werde alles veranlassen. Wie du es sagst, so sei es!«
»Dann gelobe ich hiermit bei den unsterblichen Göttern und bei meiner Ehre als kaiserlicher Tribun, dass über alle Geschehnisse, die mit dem Tode des Cäsar Claudius zusammenhängen, kein Wort über meine Lippen kommt, weder jetzt noch jemals!«
» Sic – So sei es! Du bist frei!«
XXVII.
Gehet hin in alle Welt!
Zärtlich fuhren Diranas Finger über Valerius’ Bauch. »Du bist so dünn geworden, Liebster, mager wie ein pannonischer Eierdieb.«
Valerius musste lächeln. »Die letzten Wochen waren auch nicht dazu geeignet, Fett anzusetzen«, antwortete er und überließ sich seufzend den zarten Händen seiner Geliebten.
Welch ein Glück, Dirana wieder zu sehen und in den Armen zu halten! Schluchzend war sie ihm um den Hals gefallen und hatte hemmungslos geweint.
»Ich dachte, du seist zu Cynthia zurückgekehrt, oder – schlimmer noch – du wärst tot. Aber jetzt wird alles wieder gut!«
Sie wollte nicht aufhören, sein Gesicht mit Küssen zu bedecken, und dann zog sie ihn ebenso stürmisch auf ihr Zimmer ...
» Oh, wie ich dich liebe, mein tapferer Tribun, mein strahlender Held!«
Bei diesen Worten verfinsterte sich Valerius’ Gesicht.
»Ich bin kein Held! Gewiss nicht! Ein Held hätte sich nicht erpressen oder ködern lassen, wie ich es getan habe. Er wäre hinausgegangen und hätte aller Welt die Wahrheit verkündet.«
»Sicher hätte er das«, lächelte Dirana und küsste seine Augen, »und danach wäre er für immer auf irgendeiner finsteren Galeere verschwunden und seine Braut hätte ein freudloses Dasein in einem orientalischen Lupanar gefristet. Du hattest keine Wahl, Marcus. Jeder hätte gehandelt wie du!«
Als Valerius am nächsten Morgen erwachte, hatte Dirana ein kräftiges Frühstück aus kaltem Huhn, Brot, Eiern und Obst bereitet. Valerius langte zu wie lange nicht mehr.
»Wie wird es weitergehen?«, fragte Dirana und blickte verträumt aus dem Fenster in den großen Park des Landgutes. Eine dicke Schneeschicht lag auf Bäumen und Sträuchern, die im hellen Sonnenlicht glitzerte.
» Werden wir vor den Göttern ein Paar? Ich möchte Kinder von dir, viele Kinder.«
Valerius wischte sich den Mund ab und nahm Dirana liebevoll in den Arm.
»Liebste ... Ein Soldat darf während seiner Dienstzeit nicht heiraten.«
Dirana sah ihn ungläubig an. »Was sind denn das für neue Vorschriften?«
Aber Valerius ging auf ihren Protest nicht ein und fuhr fort: »Die Dienstzeit eines Prätorianers beträgt sechzehn Jahre, in der Legion zwanzig. Da man mich aus der Garde entfernt hat, gilt diese Dienstzeit auch für mich. Mit siebzehn Jahren bin ich in die Legion eingetreten, das bedeutet, dass ich meine Entlassung mit siebenunddreißig Jahren beantragen kann, also in drei Jahren. Hast du alles verstanden, meine schöne Libertina ?«
Diranas Augen füllten sich mit Tränen. »Das ... das bedeutet ..., dass wir noch drei Jahre warten müssen? Wir können nicht heiraten ... keine Ehe führen?«
»Keine Ehe, sondern eine Consuetudo , so nennen wir es in der Legion, Liebste. Für Gaius gilt das ebenso. Auch Antonia wird noch warten müssen. Erst nach Ende meiner Dienstzeit erhalte ich die Honesta missio – die ehrenhafte Entlassung, und zusammen mit ihr meine
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