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Agrippina - Kaiserin von Rom

Agrippina - Kaiserin von Rom

Titel: Agrippina - Kaiserin von Rom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf D. Sabel
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Eine breite Blutlache sickert unter dem Mantel hervor, verteilt sich über den Boden und erreicht die Lederschuhe des Curators. Mit einem Fluch springt Volturcius zur Seite und wirft den Dolch in die Ecke.
    »Du hast geglaubt, mit mir wird es so einfach wie mit den anderen. Aber du hast geirrt, du gedungenes Barbarenschwein! Ich wusste, dass ihr als nächstes zu mir kommen würdet. Ich war der Nächste auf eurer Liste! Aber so einfach tötet man Gaius Volturcius Crassus nicht. So einfach nicht!«
    Längst sind unter der Kapuze die langen rotblonden Haare eines jungen Germanen zum Vorschein gekommen. Das brutale, von Narben entstellte Gesicht ist zur Fratze verzogen, aus dem offenen Mund läuft blutiger Schleim. Die blauen Augen sind vor Überraschung und Entsetzen weit aufgerissen. Wie klagend blicken sie den Römer seelenlos an. Volturcius hat ihn noch nie gesehen. Zu spät bereut er das Übermaß seiner Wut. Er hätte den Täter befragen müssen, vielleicht hätte man so etwas über seine Auftraggeber hören können.
    Aber es ist zu spät. Dieser Mann wird nie mehr reden!
    ***
    Dort, wo der Vicus Cuprius links vom Argiletum abbiegt und zu dem Platz führt, an dem Bauarbeiter begonnen hatten, ein Fundament für eine kolossale Statue des Kaisers auszuheben, befinden sich zwei Kneipen nebeneinander. Die kleinere von ihnen gehört zwei Brüdern und heißt daher sinnigerweise Ad duos fratres.
    Die Kaschemme, ohne Zweifel der zutreffendere Begriff, verfügte nur über ein kleines Fenster zur Straße hin und war durch einige wenige Öllampen in schummriges Licht getaucht. Eine niedrige Holzdecke, dunkel getünchte Wände, an denen uralte Schilder undSchwerter aus den Zeiten Sullas hingen, und das verschlissene Mobiliar verliehen dem Etablissement einen mehr als schäbigen Charakter, und der Wirt in seiner schmutzigen, fleckenübersäten Schürze bestätigte diesen Eindruck nachdrücklich.
    Freundlich hatte er sich nach den Wünschen seines Gastes erkundigt und ihm in einem Becher Wein serviert, der seit langem kein Spülbecken mehr gesehen hatte. Angewidert schob Valerius den Becher zur Seite. Jetzt zur achten Stunde war die Caupona nur zur Hälfte gefüllt, und Valerius konnte in aller Ruhe die anderen Gäste mustern. Einige Arbeiter verzehrten ihr zweites Frühstück, ein paar Sklaven unterbrachen ihre Besorgungsgänge und hielten ein kleines Schwätzchen bei einem Becher billigen sauren Weins. Zwei Ritter, die sich augenscheinlich in diese Spelunke verirrt hatten, beklagten lauthals die letzten Preiserhöhungen. In der Ecke saßen zwei Männer, deren kräftiger Körperbau den ehemaligen Gladiator verriet, auch wenn sie, wie der deutliche Bauchansatz zeigte, ihre besten Tage weit hinter sich gelassen hatten. Jetzt schienen sie der einträglicheren Tätigkeit eines Zuhälters nachzugehen, denn sie unterhielten sich über die Vor- und Nachteile der von ihnen betreuten Damen.
    »Galliena kommt in die Jahre«, tönte es aus der Ecke, »früher schaffte sie mehr als zehn Freier den Tag, jetzt muss ich froh sein, wenn es noch drei sind. Und was ich für Schminke und Puder bezahle, wiegt die paar Sesterzen kaum auf, die sie bringt.«
    »Schaff sie dir vom Hals, Androgenes, wer nichts verdient, soll auch nicht fressen! Mach es wie ich. Ich hab’ neulich bei Lucius Terebonius, du kennst ihn, den Sklavenhändler am Vicus Longus , eine Thracerin gekauft. Euchtychis heißt das Luder und hat mich dreihundert Sesterzen gekostet. Aber bei Jupiter, sie ist jedes As wert, das ich für sie ausgegeben habe. Mindestens das Vierfache hat sie in den letzten zwei Tagen hereingeholt!«
    Gelangweilt drehte Valerius sich herum. Eigentlich müsste Niger längst da sein.
    »Darf es noch etwas sein?«, fragte der schmierige Wirt und wischte mit einem stinkigen Lappen über den Tisch, der danach schmutziger war als vorher.
    »Nein, im Augenblick nicht.«
    »Du bist nicht aus Rom?« Neugierig bleckte der Wirt seine schadhaften schwarzen Zähne.
    »Nein, von Narbo.«
    »Narbo? Das liegt in der Provincia Narbonnensis , nicht wahr? Hab’ davon gehört. Ich könnte meine lucanischen Würste in Brotteig empfehlen, hab’ sie eben erst frisch gebraten.«
    Um den Wirt endlich loszuwerden, bestellte Valerius ein paar Würstchen. Der Wirt eilte zufrieden davon. Wenig später stand die hagere Figur von Tullius Torquatus Niger im Türrahmen, bekleidet mit dem unvermeidlichen schwarzen Umhang. Grinsend ging er durch die Schankstube und setzte sich seelenruhig

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