Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Agrippina - Kaiserin von Rom

Agrippina - Kaiserin von Rom

Titel: Agrippina - Kaiserin von Rom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf D. Sabel
Vom Netzwerk:
nur seinen Bart, sondern eigne dir auch seine Weisheit an!«
    Lächelnd verabschiedete ihn der weise Mann.

VI.
Der Auftrag
    C olonia Claudia Ara Agrippinensium liegt an diesem frühen Abend unter einer Decke dichten Nebels. Zuerst waren die grauen Nebelschwaden aus den dunklen Fluten des Rhenus gestiegen, dann hatten sie sich mit den undurchdringlichen Schwaden vereinigt, die in den feuchten Wäldern rings um die Stadt lagen. Zuletzt bedecken sie die Stadt wie mit einem grauen Leichentuch, aus dem sich nur noch die Spitzen der Wachtürme in den Stadtmauern zaghaft erheben. Wer es sich leisten kann, bleibt zu Hause am wärmenden Kohlebecken oder bevölkert die zahlreichen Kneipen rings um das kleine Forum, in denen sich der Nebel, der durch die Fenster zu dringen scheint, mit den Kochschwaden aus Braten und Kohl zu einem undurchdringlichen Inferno vereint. Laut hallt das Rufen der Vigiles durch die vereinsamten Gassen. Sie rufen sich auf diese Weise ihre Position zu, denn sehen können sie sich nicht.
    Im Prätorium geht der kaiserliche Curator unruhig auf und ab.
    »Viridorix, alte Krähe! Wann wirst du endlich mit den Akten kommen. Und bring von dem gewärmten Würzwein mit!«
    Er hält die klammen Hände über das Kohlebecken und blickt durch das Fenster auf den nebelverhangenen Platz. Bei den Göttern! Kehrt denn die Sonne nie mehr zurück in dieses Land? Seine Gedanken wandern zurück in das sommerliche, sonnendurchflutete Italien, seine Heimat. Seit vielen Jahren tut er jetzt schon Dienst in der germanischen Provinz, hat sich vom Prätor zum Curator hochgedient, genießt das Vertrauen des Kaisers ebenso wie das des Statthalters, aber die Sonne vermisst er. Er reibt sich den schmerzenden Rücken, dem die lange Kälte nicht bekommt. Noch zwei Jahre Kälte, Eis und Nebel, dann wird er seinen verdienten Ruhestand auf seinem Landsitz in den Sabinerbergen genießen. Nein, bleiben wird er hier nicht, auch wenn er die Ubierstadt und ihre verrückten Bewohner mag. Denn verrückt sind sie, das steht fest. Selbst für einen lebensfrohen Römer gedeihen doch Ausgelassenheitund Übermut hier am Rhein im Übermaß. Selbst bei Bestattungen stimmen die Bewohner, kaum dass der Leichnam aus der Stadt getragen und mit Kalk bedeckt in der Grube verschwunden ist, ihre Lieder an, zuerst melancholisch und voller Ernst, um dann wenig später in ausgelassene Heiterkeit umzuschlagen.
    Ein Geräusch aus dem Nebenraum lässt ihn aufhorchen. Sein Gesicht verzerrt sich. Aus Gewohnheit greift er zum Schreibtisch und sucht nach dem ...
    »Viridorix? Vergiss den Wein nicht! Es ist erbärmlich kalt hier. Und sag dem Callistos, er möge Kohle holen und die Becken auffüllen.«
    Bei den Göttern, was für ein Nebel! Man kann die Hand kaum vor den Augen sehen, und der Blick, der sonst bis zu den Arkaden des Forums und der dort befindlichen Statue des Kaisers reicht, versinkt jetzt schon nach wenigen Schritten im lautlosen Nichts der Nebelschwaden.
    »Viridorix! Beim Hades! Wirst du jetzt endlich kommen!«
    Der Curator steht am Fenster und dreht der Tür den Rücken zu.
    Aber Viridorix wird nie mehr kommen. Der alte gallische Schreiber liegt unter seinem kleinen Schreibtisch, um den dürren Hals eine Schlinge, die jedes Leben aus ihm gepresst hat. Statt seiner nähert sich eine vermummte Gestalt dem Amtszimmer des Curators. Der weite Kapuzenmantel lässt die kräftigen Konturen des Mannes kaum ahnen, und die Kapuze bedeckt den Kopf des Mannes völlig. Ein leises Knirschen ist es, ein knappes Rascheln des Mantels, vielleicht auch der feuchte Atemzug, der den Nacken des Beamten streift und ihn veranlasst, sich ruckartig umzudrehen. Der Wurf mit der Schlinge geht fehl, stattdessen glänzt in der Hand von Gaius Volturcius Crassus ein Dolch.
    »Ich habe dich erwartet, du Bestie! Du sollst deinen verdienten Lohn empfangen!«
    Das Gesicht des Curators ist zornentstellt. Bevor die Gestalt zurückweichen kann, trifft sie der Dolch zum ersten Mal. Tief gräbt er sich in den Arm des Mannes, aber schon stößt Volturcius wieder zu. Wieder und wieder! In die Brust, in den Leib, in den Hals. Unter seinen fürchterlichen Streichen sinkt die Gestalt röchelnd nieder, und noch lässt der Beamte von seinem Opfer nicht ab.
    »Das ist für die anderen, die deine meuchelnde Hand getötet hat. Für Vindorix, für Taurus und für all die anderen, die ich noch nicht kenne!«
    Jeder Schrei wird von einem Stoß begleitet, bis der Beamte erschöpft von dem Mann ablässt.

Weitere Kostenlose Bücher