Agrippina - Kaiserin von Rom
neben Valerius.
»Ist nicht unbedingt dein Geschmack hier, nicht wahr?« Sein Blick wanderte durch den Gastraum und blieb an den beiden Zuhältern haften.
»Auch das Publikum lässt zu wünschen übrig. Aber das ist gut so. Hier wird uns niemand vermuten.« Er holte sich den Stuhl näher heran und seine Stimme senkte sich. »Du musst wissen, der Cäsar hat inzwischen einen eigenen Geheimdienst aufgebaut, und wir wissen nicht, wer dazugehört. Wir wissen nur, dass er einem gewissen Gaius Ophonius Tigellinus untersteht. Dieser Mann kommt wie aus dem Nichts, brutal und verschlagen, ohne jede Skrupel.«
Eine Beschreibung, die wohl auch auf dich zutreffen könnte, dachte Valerius mit einem Grinsen. Niger deutete das Grinsen sofort richtig.
»Du denkst, er ist einer wie ich, nicht wahr? Mag schon sein, aber eins unterscheidet mich von ihm. Ich bin der Augusta treu, treu und loyal bis in den Tod. Aber so einer wie der ist ein seelenloser Söldner, dem ein Geldbeutel in der Brust sitzt, kein Herz. Also nimm dich vor ihm in Acht. Aber keine Sorge, du wirst ihm kaum begegnen. Morgen wirst du nämlich zurück in deine Ubierstadt reisen. Jetzt erzähle, was hast du bei dem alten Schwätzer herausgefunden?«
Valerius gefiel diese Bezeichnung für Seneca überhaupt nicht, er achtete den Philosophen viel zu sehr.
»Nicht viel«, entgegnete er unwirsch. »Von Seneca droht der Augusta keine Gefahr. Wohl rät er ihr zu etwas mehr Zurückhaltung dem Kaiser gegenüber.«
»Zurückhaltung? Was meint der alte Narr damit?«
Valerius erzählte von den Senatssitzungen und der Mutter hinter dem Vorhang.
»Unsinn! Das macht sie schon lange nicht mehr. Außerdem war das ein Rat von mir, und er hat uns viele nützliche Informationen gebracht. Was erzählt er sonst noch? Du warst doch Stunden bei ihm!«
»Ihr überwacht mich?«
»Natürlich! Traue keinem, das ist unsere Devise.«
»Nichts von Belang. Stimmt es, dass er Agrippina einmal das Leben gerettet hat?«
»Du meinst die Geschichte mit Rubellius Plautus?«
Valerius nickte.
»Hat dir das der Alte erzählt? Aber es stimmt. Wäre der alte Fuchs damals nicht dazwischen getreten, hätte es ein schlimmes Ende genommen. Nero ist unberechenbar. Wer seinen Zorn reizt, hat sein Leben verwirkt. Hat Seneca dir auch erzählt, er werde aus ihm einen platonischen Herrscher machen?«
»Ja, wieso?«
»Das erzählt er überall, aber es ist Blödsinn. Seine Zukunft ist klar, dafür brauche ich keine Wahrsager oder orientalischen Sterndeuter und auch keinen abgehobenen Hofphilosophen. Sie liegt im Circus Maximus, im Theater, bei Sängern und Schauspielern. Das Regieren wird er anderen überlassen, Leuten wie Seneca oder Tigellinus. Es wird nicht mehr lange dauern, und Tigellinus wird Burrus als Präfect der Garde verdrängen. Er ist jetzt schon sein Stellvertreter, aber einer, dem man den Rücken nicht zudrehen kann.«
»Wie wär’ es, ihr bei... beiden? Habt ihr nicht Lust auf ein Stündchen in Venus’ Armen? Meine za... zarte Euchtychis kennt sich aus im Spiel der Lie... Liebe!«
Unbemerkt war einer der beiden Zuhälter an den Tisch herangetreten und stützte sich schwer auf die Platte. Die Fahne billigen Weins, die er vor sich herschob, zeugte von dem Alkoholkonsum, den er bereits im Übermaß genossen hatte.
»Venus’ Arme? Nein, vielen Dank. Es dürfte sich ja wohl eher um die Schenkel als die Arme handeln, nicht wahr? Wir habenetwas zu besprechen, also verzieh dich!« Bevor Valerius antworten konnte, hatte Niger das aus gefährlich schmalen Lippen hervorgepresst.
»Ver... Verziehen? Wie spricht man hier mit mir! Andro... Androgenes, hast du ... hast du das gehört?«
»Hau ihm eine aufs Maul, Fortunatus, dem edlen Herrchen!«, tönte es aus der Ecke.
Die Worte waren noch nicht verklungen, da war Niger blitzschnell aufgesprungen und hielt dem Burschen eine blitzende Klinge an den Hals.
»Du sollst dich verziehen, Mistkerl, bevor ich dir den Hals durchschneide und dich in den Hades schicke.«
Schwerfällig erhob sich jetzt der andere, der Androgenes gerufen wurde, und steuerte auf den Tisch zu. Auch Valerius war aufgesprungen. Von der Körperkraft her war er seinem Gegner unterlegen, aber er war schneller und – nüchtern. Androgenes holte aus und wollte einen gewaltigen Schwinger im Gesicht des Tribuns landen. Der aber bückte sich und schlug seinerseits eine heftige Rechte auf die Nase des Angreifers. Der Mann taumelte zurück und betastete seine blutende Nase, um sich im
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