Agrippina - Kaiserin von Rom
nicht, dass du in Rom bist. Was machst du hier? Ich wähnte dich in dieser kleinen Stadt am Rhenus , wie hieß sie doch gleich? Colonia Claudia Arensium? «
» Colonia Claudia Ara Agrippinensium «, berichtigte Valerius lächelnd, »meine neue Heimat.«
»Und wieso trägst du den Bart eines griechischen Sophisten und siehst aus wie eine Mischung aus einem syrischen Gewürzhändler und einem gaditanischen Kuhhirten? Und wieso darf ich deinen Namen nur flüstern?«
Valerius lachte so laut, dass sich ein Patronus , der mitsamt seinem umfangreichen Gefolge an Clienten auf dem Weg zum Forum war, indigniert herumdrehte.
»Syrischer Gewürzhändler! Gaditanischer Kuhhirte. Bei Jupiter, das ist großartig, wirklich großartig! Aber im Ernst, du musst wissen«, flüsterte er dann mit gesenkter Stimme und blickte sich dabei nach allen Seiten um, »es handelt sich um eine Tarnung! Aus Vorsichtsgründen!«
»Aber wieso ...?«
Valerius legte seine Finger auf die Lippen: »Pscht ... ubique delatores – überall Spitzel! Die Geheimpolizei des Kaisers ist hinter mir her!«
»Tarnung? Spitzel? Geheimpolizei? Du ... du willst mich auf den Arm nehmen, oder?«
Valerius lachte. »Es ist nicht so dramatisch, aber tatsächlich kann ich hier nicht ohne Bart und in der Uniform eines Tribunen herumlaufen, und meinen Namen soll auch niemand hören!«
»Warum nicht?«
Valerius erzählte in kurzen Worten etwas von seinem speziellen Auftrag, der ihn nach Rom geführt und die Verkleidung erforderlich gemacht hatte, verriet aber nichts über die wirklichen Gründe, obwohl er wusste, dass er dem jungen Mann trauen konnte. Trauen?Konnte man ihm wirklich vertrauen? Konnte man irgendjemandem im Rom dieser Tage wirklich vertrauen? Er hatte zwar einen Spaß gemacht, wusste aber zugleich, dass sich tatsächlich überall in Rom die Spitzel des Kaisers herumtrieben, um unbedachte Äußerungen seiner Untertanen aufzuschnappen.
»Hast du irgendetwas vor, oder kann ich dich in mein bescheidenes Haus auf dem Quirinalis entführen zu einem kleinen Mahl?«
Valerius zögerte einen Augenblick. »Ich werde morgen nach Germanien zurückreisen müssen und muss noch ...«
»Morgen? Aber das gibt dir noch einen ganzen Tag. Ein kleiner Imbiss in meinem Haus, und am Abend würde ich dich gerne zu unserer Versammlung mitnehmen. Du wirst interessante Leute kennen lernen.«
»Versammlung?«
»Du erinnerst dich, dass ich ein Christianus bin?«
Valerius erinnerte sich. »Ich weiß«, sagte er, »übrigens habe ich in Colonia Agrippinensium jemanden kennen gelernt, der die dortige Gemeinde führt.«
»Wer ist das?«
»Sein Name ist Martialis Maternus. Kennst du ihn?«
»Freilich kenne ich ihn, gut sogar. Der gute Maternus, wie ergeht es ihm wohl in der Fremde? Ich hab’ ihn seit fast einem Jahr nicht mehr gesehen.«
»Er scheint sich im Barbarenland sehr wohl zu fühlen, und seine kleine Gemeinde blüht, soweit ich es beurteilen kann, ordentlich auf.«
»Du musst ihn unbedingt von mir grüßen, hörst du. Aber das ist ein Grund mehr, mich heute Abend zu begleiten. Du wirst meine Glaubensbrüder kennen lernen und auch den Führer unserer hiesigen Gemeinde. Wo hast du eigentlich dein Quartier?«
»Nicht weit von hier.«
»Hier? Hier in der Subura ?« Horatius zog die rechte Augenbraue zu einem spitzen Dreieck hoch, ein deutliches Zeichen der Missbilligung.
»Gehört mit zu meiner Tarnung!« Valerius zwinkerte dem jungen Mann zu.
» Bene, dann holst du jetzt deine Sachen ab, viel wird es ja nicht sein, und siedelst für eine Nacht zu mir über. Was hältst du davon?«
So gerne Valerius zugesagt hätte, fürchtete er doch, seine Tarnung zu verlieren. Deswegen lehnte er freundlich ab. Konnte man wissen, ob das Haus des jungen Mannes, der noch zudem Mitglied in einer obskuren Sekte war, nicht überwacht wurde?
»Aber zu eurer Versammlung will ich gerne kommen. Wo und wann trefft ihr euch?«
»Bei Sonnenuntergang. Du triffst mich am Forum Boarium , am Tempel des Janus. Wirst du da sein?«
» Certe – sicherlich!«
***
Pünktlich hatten sich die beiden Männer getroffen. Horatius hatte seinen Gast durch ein Wirrwarr kleiner Gassen bis zu den großen Lagerhäusern geführt, die dicht gedrängt am Tiber entlang standen, die meisten in einem verfallenen Zustand. An der Ecke zum Clivus Publicus waren sie eine Zeit lang aufgehalten worden. Ein Ochsenfuhrwerk, hoch beladen mit Baumaterialien, war zusammengebrochen und versperrte den Weg. Fluchend bemühte
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