Agrippina - Kaiserin von Rom
gesagt, »so lange wirst du die Dinge in die Hand nehmen. Wir können nicht warten, bis er zurück ist. Es darf keine Morde mehr geben! Also tue deine Pflicht für die Augusta , und tue sie gut, denn sonst ...«
Er brauchte den Satz nicht vollenden, auch so konnte sich Faustus vorstellen, was passieren würde. Man würde ihn bei der nächsten Ämterwahl übergehen und ihn so seiner besten Einnahmequelle berauben. Denn auch wenn alle öffentlichen Ämter Ehrenämter waren, so fiel doch für den Amtsinhaber immer etwas ab, und seien es nur die Beziehungen, die sich aus solch einem Amt leichter und gewinnbringender knüpfen lassen. (Dem geneigten Leser wird spätestens an dieser Stelle klar, dass es zur damaligen Zeit selbstverständlich noch nicht den Begriff des » kölschen Klüngels« gab, wohl aber ihn selbst!) Aber, bei den Göttern, er ist doch kein Ermittler, der so etwas aufklären könnte! Gleichwohl, hätte er sich dem Auftrag des Curators widersetzen und die Geldbörse ausschlagen können, die man ihm auf den Tisch gelegt hatte?
» Attenti – aufpassen!«, rufen die Arbeiter und werfen die nicht gebrauchten Blöcke und Steinreste von der Mauer herunter, die in großer Zahl auf der Mauerkrone liegen. Faustus tritt einen Schritt zur Seite. Nicht ungefährlich hier, diese Deppen passen ja überhaupt nicht auf. Wieder tastet seine Hand nach dem prall gefüllten Geldbeutel in seiner Manteltasche. Mit dem Geld kann er sich endlich die lang ersehnten Wandgemälde in seinem Triclinium leisten. Dieser Philecrates aus dem fernen Griechenland soll ja wahre Wunderdinge vollbringen. Wenn er an die heißen Liebeszenen denkt, die der Künstler Ovids Ars Amatoria nachempfunden und auf die Wände des Curators gezaubert hat, kann man ja vor Neid erblassen. Schließlich will man ja Ehre vor seinen Gästen einlegen.
Wäre der Quaestor nicht so mit seinem Geld und den Träumen einer künstlerischen Zukunft beschäftigt gewesen, hätte er ja vielleicht die untersetzte Gestalt in dem abgeschabten gallischen Kapuzenmantel bemerkt, die nur wenige Schritte hinter ihm steht und ihn unverwandt anstarrt. Aber so ...
Wieder der Ruf der Arbeiter: »Aufpassen da unten!« Ganze Brocken von Steinen fliegen herunter und verursachen auf dem schneebedeckten Boden einen dichten Nebel von Staub und Dreck. Niemand von den Arbeitern weiß nachher zu sagen, wie es zu dem schlimmen Unglück gekommen ist. Jedenfalls gerät Faustus Celerinus just in dem Augenblick ins Straucheln, als ein neuer Schwung von Steinen von der Mauer geworfen wird. Als sie ihn entdecken, ist es zu spät. Hastig ziehen sie den blutüberströmten Beamten unter den Steinen hervor.
»Holt den Medicus , schnell! Bringt Tücher und Wasser! Atmet er noch? So seid doch vorsichtig mit ihm, ihr Dummköpfe, ihr werdet ihn noch verletzen!«
Stimmengewirr, Unordnung, Chaos! Aufgeregt laufen Sklaven und Arbeiter durcheinander in dem erfolglosen Bemühen zu helfen, wo nicht mehr zu helfen ist.
Denn es ist zu spät! Die Augen sind weit aufgerissen, und da, wo vorher quälende Gedanken durchs Hirn zogen, öffnet sich jetzt eine große klaffende Wunde, die den austretenden Hirnmassen einen Weg auf den Schneeboden bahnt. Aus dem Mund läuft ein schmaler Faden von Blut und tränkt den Schnee in bizarrem Muster.
Die untersetzte Gestalt hat sich längst zufrieden verzogen. Niemand hat den Stoß gesehen, den sie dem Mann im rechten Augenblick versetzt hat. Der Auftrag ist erledigt, der Auftraggeber wird zufrieden sein. Zufrieden klimpert der Mörder mit den Münzen in seinem Geldbeutel. Es war ein Unfall! Nur ein tragischer Unfall, wie er leider täglich auf Baustellen passiert.
***
Nach einer halben Stunde Fußweg hatten die beiden Männer das Stadthaus des Quintus Horatius Pulcher erreicht. Es lag direkt ander Alta Semita , östlich vom Mons Pincius, und erlaubte an seiner Rückseite einen großzügigen Blick auf die herrlichen parkartigen Anlagen der Horti Sallustiani.
Ein uralter Sklave öffnete ihnen mürrisch die Tür.
»Das ist der alte Fuscus«, lachte Horatius, »er ist älter als das Haus und diente schon meinem Großonkel.«
»Der kam aber nie so spät nach Hause«, maulte der Alte und verzog das von tausend Falten durchzogene Gesicht zu strenger Miene. Eine starke Weinfahne begleitete seine Rede.
»Recht hast du, Alter«, lächelte Horatius verschmitzt, »deshalb hat er auch nie mitbekommen, wenn du dich an seinem Weinvorrat vergangen hast.«
Mit einem unwilligen
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