Agrippina - Kaiserin von Rom
Männer ihre Waffen gezückt und einen Kreis um die beiden Passanten gebildet. Es kam, wie es kommen musste: Sekunden später hatte einer der Wachen den Urlaubsschein des Tribuns gefunden und hob ihn triumphierend in die Höhe.
»Der Kerl scheint mehrere Namen und Berufe zu haben. Nicht nur Stoffhändler, nein, bei Jupiter, jetzt ist er schon Tribun. Ganz sicher ein guter Fang!«
»Gefälscht, alles gefälscht«, brummte der Anführer. »Mitkommen!«
Sie steckten die Waffen weg und nahmen die Männer in die Mitte. Während Valerius noch überlegte, wie er unbeschadet aus dieser misslichen Situation herauskommen könnte, kam ihm das Schicksal in Gestalt des Weingottes zu Hilfe. Im gleichen Augenblick torkelten nämlich drei junge Burschen um die Ecke, die Bacchus allzu sehr geopfert hatten. Sie taumelten weinselig ineinander gehakt über die Straße und grölten auf die Melodie eines bekannten Gassenhauers:
Seht doch unser Nerolein,
kriecht in seine Mutter ’rein,
gerne will er schmusen
an ihrem stolzen Busen,
da fängt sie an zu weinen –
sie hat ja keinen!
Kaum hatten die Vigiles den Text verstanden, stürzten sie sich wutentbrannt auf die trunkenen Sänger.
»Das ist Majestätsbeleidigung. Das werdet ihr büßen! Wir werden euch lehren, so über unseren Cäsar zu sprechen. Wir werden euch ...«
Blitzschnell erkannten Valerius und Horatius ihre Chance. »Lass uns türmen!«, flüsterte Horatius.
»Gewiss, aber nicht ohne meine Urkunden!«
Valerius hatte sich den Anführer wohl gemerkt, der seine beiden Urkunden eingesteckt hatte. In dem nun beginnenden Kampf zwischen den Feuerwächtern und dem Triumvirat der Trunkenheit war es ein Leichtes, ihn mit einem gezielten Faustschlag zu Boden zu schicken und die Papiere aus seinem Umhang zu nehmen. Bevor die anderen Wächter noch bemerkten, was passierte, waren die beiden schon um die nächste Ecke verschwunden und rannten lachend wie die Kinder über das Forum Boarium.
» Ist das nicht herrlich, so ein kleines Abenteuer?«, lachte Horatius und hielt sich die schmerzende Seite.
»Wenn das mein Großonkel erlebt hätte ...«
»... er hätte sicher ein treffliches Gedicht daraus gemacht, nicht wahr?«
Beide Männer grinsten sich an und brachen dann in ein lautes Lachen aus.
»Komm, lass uns von hier verschwinden!«, lachte Valerius.
***
»Zeig mir, wo du wohnst, Valerius. Ich begleite dich zu deinem Quartier.«
»Das ist nicht weit von hier. Aber wie kommst du dann nach Hause? Die Straßen sind dunkel und gefährlich, wie man sieht.«
»Du erzählst mir nichts Neues. Aber sei ohne Sorge, ich werde mir am Forum eine Mietsänfte nehmen und mich von ein paar kräftigen Burschen nach Hause bringen lassen. Bis zum Quirinalis ist es nicht weit.«
Bald hatten sie das Argiletum erreicht und steuerten Valerius’ Quartier an. Zu dieser späten Stunde hatten sich die Straßen geleert, und nur noch vereinzelte Nachtschwärmer ließen sich blicken. Eine Decurie von Prätorianern kam ihnen entgegen, und Valerius zog die Kapuze tiefer ins Gesicht. Immerhin hätten unter den Nachtwachen Männer sein können, die ihn noch aus seiner früheren Dienstzeit kannten. Aber sie blieben unbehelligt. Gerade bogen sie in die Subura Minor ein, in der sein Quartier lag, während Horatius munter schwatzend die Vorzüge seiner Braut Cäcilia pries, als Valerius ihn plötzlich unsanft am Arm packte und in eine Hausecke riss. Er legte schnell die Hand auf den geschwätzigen Mund seines Begleiters und flüsterte: »Pscht, tace !«
Horatius hatte begriffen und schwieg sofort.
»Was ist?«, wisperte er nach einer Weile.
»Schau!«
Seine Hand deutete auf einen kräftigen, dunkel gekleideten Mann, der sich gegenüber seiner Wohnung postiert hatte und wie gebannt auf den Eingang blickte. Valerius hätte ihn vermutlich gar nicht oder zumindest zu spät gesehen, wenn der Mann nicht ein dringendes Bedürfnis verspürt und sich an der Hauswand erleichtert hätte. Unmittelbar danach zog er sich wieder in den Hauseingang zurück.
»Das Haus wird beobachtet, man wartet auf mich!«
»Du meinst ...«
»Ja! Ich kann nicht in mein Quartier zurück!«
»Und ... ich meine, was bedeutet das? Hast du ... äh ... hast du noch wichtige Sachen in deinem Zimmer? Wenn nicht, mein Angebot steht, ich würde mich freuen, dich für die heutige Nacht beherbergen zu können.«
»Ich nehme dein Angebot gerne an, Horatius, es bleibt mir nichts anderes übrig. Im Übrigen habe ich nichts von Bedeutung in
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