Agrippina - Kaiserin von Rom
Grummeln schlurfte der Alte davon und murmelte irgendetwas von einer nichtsnutzigen Jugend, die noch nichts geleistet habe, aber den Reichtum der Alten durchbringe.
»So ist er, der alte Fuscus, immer schlecht gelaunt, aber eine Seele von Mensch. Er würde sich für mich in Stücke hacken lassen. Schon längst hätte ich ihn freigelassen, aber er will nicht, der störrische Esel. Was soll ich denn machen, greint er, hab’ ja nichts anderes als dienen gelernt.«
Die Männer betraten das kleine, geschmackvoll eingerichtete Atrium. In der Mitte der Vorhalle stand auf einem hölzernen Podest eine lebensgroße Figur des großen Dichters Quintus Horatius Flaccus, des prominenten Großonkels des Gastgebers.
»Eine Statue aus den Händen des großen Phidias«, erklärte Horatius voller Stolz.
Valerius sah sich um. Alles atmete auserlesenen Geschmack, nichts von dem eitlen Protz, der viele Häuser verschandelte.
»Ein edles Quartier«, meinte Valerius anerkennend und musterte die Kostbarkeiten, die in Nischen und auf kleinen Tischen im ganzen Atrium verteilt standen. Kleine Büsten aus Gips, teure Statuetten aus blau gefärbtem Marmor, kunstvoll geformte Figuren aus Terracotta und dazwischen kleinere Blumenarrangements in silbernen Schalen. Alles wirkte wohl durchdacht und keineswegs überladen.
»Hat dein Großonkel hier gewohnt?«, fragte er mit Blick auf die Kostbarkeiten.
»Es war sein Haus, aber gewohnt hat er hier fast nie. Er zog die Einsamkeit der Sabiner Berge vor. Der großzügige Maecenas hatte ihm dort ein Landgut geschenkt. Dort hatte er Zeit und Muße für seine Werke, dort konnte er auch seinem Wahlspruch leben.«
»Welchen seiner Wahlsprüche meinst du? Er hatte so viele.«
» Beatus ille, qui procul negotiis – Glücklich der, der fern von Geschäften lebt. Die hektische Betriebsamkeit Roms war ihm zuwider.«
»Und du wohnst allein hier?«, fragte Valerius nach einer Weile.
»Ganz allein, wenn man die Besuche meiner liebreizenden Caecilia ausnimmt. Ansonsten ist da noch die alte Tullia, die war schon mein Kindermädchen und besorgt mir jetzt den Haushalt, Flavius, mein Leibsklave, und Fuscus, mein charmanter Pförtner und Gärtner, ihn hast du ja schon kennen gelernt. Mehr Personal brauche ich nicht, könnte es mir aber auch nicht leisten.«
Sie hatten es sich im kleinen Arbeitszimmer des Hausherrn gemütlich gemacht, und Valerius schlürfte genüsslich einen Becher gewärmten Würzweines. Die beiden Kohlebecken verstrahlten eine angenehme Wärme, und mehrere Öllampen auf kleinen Holztischchen tauchten den Raum in ein anheimelndes Licht. Horatius hatte die alte Tullia geweckt, und die hatte murmelnd und zeternd einen delikaten Imbiss aus Eiern, kaltem Geflügel in Garum und Brot bereitet, um danach schnell wieder das wärmende Bett aufzusuchen.
»Willst du mir nicht mehr über deinen Auftrag erzählen?«, begann Horatius das Gespräch. »Ich meine, wenn dein Haus beobachtet wird, dann scheinst du in Gefahr zu sein. In wessen Auftrag wurde es wohl beobachtet, und wer wusste überhaupt, wo du Quartier genommen hast? Ich will mich nicht aufdrängen, aber ich kenne hier in Rom fast jeden, habe meine Ohren überall, selbst im Palast. Vielleicht kann ich dir helfen?«
Valerius konnte sich ein leises Lächeln nicht verkneifen. Das Angebot des sympathischen jungen Mannes rührte ihn. Aber dennoch zögerte er. Er wusste, dass er diesem jungen arglosen Mann vertrauen konnte. Ihn aber einzuweihen, würde zugleich auch bedeuten, dass er die Gefahr, in der er offenbar schwebte, auch auf den jungen Horatius übertragen musste. Es schien dies jedochzugleich die einzige Möglichkeit zu sein, den geschwätzigen jungen Mann etwas auszuhorchen und einige von den Informationen zu erhalten, in deren Besitz er ganz offenbar war. So entschloss sich Valerius, den jungen Mann soweit wie nötig ins Vertrauen zu ziehen. Er nahm einen tiefen Schluck aus dem Becher und blickte seinen Gastgeber ernst an.
»Ich arbeite für Agrippina, gehöre zu ihrem Geheimdienst!«
»Ich dachte mir so etwas schon«, sagte Horatius mit belegter Stimme.
»Sie wähnt sich in Gefahr, fürchtet um ihr Leben. Einige ihrer Agenten sind schon getötet worden, auch in meiner neuen Heimatstadt Colonia Agrippinensium. «
Horatius lehnte sich interessiert nach vorne.
»Habt ihr eine Vermutung, wer dahinter steckt?«
»Bis jetzt noch nicht. Tullius Torquatus Niger leitet Agrippinas Agentendienst. Er meint, dass die Gefahr vom Palatium kommt.
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