Agrippina - Kaiserin von Rom
geriet in seinem Kopf durcheinander, und so beschloss er, alle weiteren Nachforschungen auf den nächsten Tag zu verlegen. Die Reise forderte ihren Tribut, und die Freude auf seine kleine Familie tat ein Übriges.
XII.
Der Gutshof des Fulvius Petrusius
Schier undurchdringlich ist der Nebel in dieser Nacht. Wie eine feindliche Armee wälzen sich die grauen Fluten von Ost nach West und dringen durch jeden Spalt selbst in die Häuser der Ubierstadt. Nur wenige Menschen sind auf den Straßen, wer kann, verkriecht sich zu Hause hinter den Kohlebecken. Zu den wenigen, die durch den Nebel müssen, gehört Gaius Vironius, der Pächter jener Thermenanlage, die in der Nähe des Forums liegt und so gerne von Valerius besucht wird.
Er kommt von dem Gastmahl, das der kaiserliche Curator Gaius Volturcius Crassus ausgerichtet hat. Und er ist enttäuscht! Nicht dass das Gastmahl nicht höchsten und verwöhnten Ansprüchen genügt hätte. Nein, durchaus nicht! Das Essen war wie immer ausgezeichnet, der Wein hervorragend und die Unterhaltung durch Tänzerinnen und Akrobaten kaum zu beanstanden. Zwar waren die einheimischen Tänzerinnen verglichen mit den hispanischen, die er einmal in Mogontiacum gesehen hatte, doch eher etwas plump und entbehrten jenes erotischen Feinschliffes, den der wahre Kenner zu schätzen weiß. Zwar hatte es den britannischen Akrobaten, die vorgegeben hatten, sich auf Wandertournee zu befinden, doch an jener wundersamen Gelenkigkeit gefehlt, die den Betrachter gemeinhin zu Beifallsstürmen hinreißt. Doch war dies nicht der Grund für die Enttäuschung des Thermenpächters. Nein, seine Enttäuschung bezieht sich auf Astirte. Jene Sklavin aus dem fernen Lande der Parther, die durch recht laszive Tänze die Sinne der Männer erregte, hätte er gerne für kurze Zeit sein Eigen genannt. Doch der Gastgeber hatte ihm diese sonst nicht unübliche Gefälligkeit verweigert.
Gaius Vironius knüllt die Faust in der Tasche und zieht die Kapuze enger über den Kopf. »Was ist, ihr Schlafmützen? Kennt ihr den Weg nicht, oder muss ich euch Beine machen?« Der Curator hat seinem Gast zwei Sklaven mit Fackeln für den Heimwegmitgegeben. Die leuchten ihm zum einen heim, zum anderen bilden sie auf den unsicheren Straßen der nächtlichen Ubierstadt einen willkommenen Schutz vor Räubern und Diebesgesindel. Zwei kräftige Germanen sind es, wie man sie sich vorstellt: breite Schultern, blonde Haare, blaue Augen. Freilich die Nasen etwas kräftig, und der eine hinkt zum Erbarmen, aber gut gebaut allemal ...
»He, da vorne! Ihr beiden Nichtsnutze! Wollt ihr wohl warten! Seht ihr, jetzt habe ich meine Schuhe mit Kot besudelt, weil ihr zu schnell geht. Ich kann ja kaum noch etwas sehen bei diesem Nebel! So wartet doch!«
In der Tat hatten die beiden Sklaven ihre Geschwindigkeit erhöht und waren jetzt sogar schon in die nächste Gasse eingebogen, die zum Rhein herunterführte.
»Aber das ist ja der ganz falsche Weg! Wartet, euch werde ich es zeigen!«
Aber im gleichen Augenblick wird seine Aufmerksamkeit auf einen Karren gelenkt, der laut rumpelnd in die Straße eingebogen ist. Ein Karren, hoch beladen mit Bauschutt, war an sich nichts Ungewöhnliches, auch nicht zu dieser Zeit. Denn tagsüber war das Befahren mit Karren nur wenigen Privilegierten vorbehalten und außerdem wegen der Fußgängerdichte viel schwieriger. Nein, ungewöhnlich war allenfalls, dass dieses Gespann nicht von Ochsen, sondern von Pferden gezogen wurde. Mit bedrohlicher Geschwindigkeit nähert sich das Gefährt dem einsamen Spaziergänger, der Kutscher scheint ihn nicht zu sehen. Jetzt hätte man die beiden Fackelträger brauchen können, aber die ...
Gaius Vironius schaut sich nach einer Fluchtmöglichkeit um. Es wird eng werden, der Karren ist schon ganz dicht heran. Schon glaubt er, durch den Nebel die großen Augen der Pferde wahrnehmen zu können. Kalter Dampf kommt aus ihren weiten Nüstern. Da, ein zurückliegender Hauseingang. Kaum mehr als drei Schritte! Ob er es schafft?
»He, Kutscher, bist du von Sinnen? Siehst du nicht ...?«
Der Rest geht unter im tödlichen Lärm. Vironius hat es nicht geschafft! Die schwer beladene Kutsche auf ihrer dämonischen Fahrt hat ihn wie eine Fliege an der Wand zerdrückt. Achtlos rast der Kutscher weiter. Auf dem schneebedeckten Pflaster, zwischenAbfall, Kot und Pferdemist, liegt der zermalmte Körper des Thermenpächters. Die Augen sind weit aufgerissen, die Hände liegen wie zum Schutz vor dem blutigen
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