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Agrippina - Kaiserin von Rom

Agrippina - Kaiserin von Rom

Titel: Agrippina - Kaiserin von Rom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf D. Sabel
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Poblicius
    April des Jahres 54 n. Chr.
    Für die Jahreszeit ist es ungewöhnlich kalt. Letzte Eisschauer toben an diesem Abend durch die kleine Provinzstadt am Rhenus und fegen die Straßen und Gassen leer. Wer jetzt nicht nach draußen muss, verkriecht sich lieber hinter die wärmenden Kohlenbecken in den Häusern.
    Sextus Arusius, der betagte Schreiber des Aedils, schlurft mühsam nach Hause, unter dem Arm einen Packen Schriftrollen. Heute ist er mit der Arbeit nicht fertig geworden, deswegen muss er den Rest zu Hause im trüben Schein der spärlichen Öllampe zu Ende bringen. Darin ist der Aedil unerbittlich.
    Arusius seufzt. Die Gicht plagt ihn wieder, und das Gehen fällt ihm schwer. Mit Wehmut denkt er an die Sonne Italiens. Fast sechs Jahrzehnte seines Lebens hat er im glanzvollen Rom verbracht, aber als der Aedil nach Colonia Claudia Ara Agrippinensium versetzt wurde, musste er ihm folgen. So wollen es die Magistratsbestimmungen.
    Der Schreiber biegt in eine kleine enge Seitengasse ein, die geradewegs zum Rhenus herabführt. Hier, in der Nähe des Südtors, bewohnt er alleine ein winziges Mansardenzimmer. Komfort gibt es hier nicht, weder Küche noch Bad oder Toilette, dafür ist die Miete aber mit fünfzehn Sesterzen erschwinglich.
    Eine plötzliche Windböe reißt ihm einige Schriftrollen aus der Hand. Ächzend bückt sich der Alte und sammelt sie mühsam wieder ein. Eigentlich bin ich zum Arbeiten inzwischen zu alt, geht es ihm durch den Kopf, aber wovon soll ich sonst leben, wenn nicht von dem kargen Salär, das der Magistrat mir zahlt? Dann tritt ein hoffnungsfrohes Lächeln auf die ausgemergelten Züge des Alten: Morgen ist wieder Versammlung! Die Versammlungen sind seine einzige Freude. Endlich wird er Maternus wieder sehen, und Eucharios und all die anderen.
    Jetzt noch schnell zur Latrina publica , sonst muss er zu später Stunde noch einmal in die Kälte heraus. Zu dumm auch, dass er letzte Nacht das Nachtgeschirr zerbrochen hat! Aber um neues zu kaufen, fehlt es im Augenblick an Geld. Knirschend dreht sich die windschiefe Tür zur öffentlichen Toilettenanlage in ihren Angeln. Der alte Schreiber ist der einzige Besucher. Vorsichtig legt er die Schriftrollen auf den kleinen wackligen Ablagetisch, der neben der Tür steht. Ächzend setzt er sich hinter die Stellwand und verrichtet sein mühseliges Geschäft.
    Er spürt nicht, dass sich die Tür nochmals öffnet, bemerkt kaum den Windzug, der kurz hereindrängt. Während Arusius seine verschlissene Tunika mit klammen Händen richtet, legt sich blitzartig eine Drahtschlinge um den dürren Hals. Der Alte ist so überrascht, dass seine mageren Glieder kaum Widerstand leisten. Den stechenden Schmerz, den die scharfe Klinge auf seiner Stirn hinterlässt, spürt Arusisus schon nicht mehr.
    ***
    » An die Ruder!« Die Sklaven nahmen ihre Arbeit auf. Mit einem leisen Plätschern senkten sich die Ruderblätter in die Fluten des Rhenus . Gleichzeitig begann der Symphoniacus vom Achterschiff her mit seiner Flöte den Rudertakt vorzugeben. Nur auf großen Schlachtgaleeren wurde die Flöte durch eine Trommel ersetzt. Die Trireme Diana passte sich allmählich der Flussströmung an und gewann an Fahrt.
    Valerius lehnte gelassen an der Holzreling und beobachtete die rauschenden Wellen, die das Schiff vor sich herschob. Nach weiteren drei Tagen der Erholung hatte er sich von seinen freundlichen Gastgebern in Mogontiacum verabschiedet und beschlossen, den Rest des Weges nach Colonia Agrippinensium auf dem Fluss fortzusetzen.
    Ein weiteres Verhör des Wirtes in der Garnison von Mogontiacum hatte nichts erbracht. Von einer Vergiftung wollte Vindurix nichts wissen, und mit seiner Sklavin könne er ja wohl machen, waser wolle. Da sie frech und aufsässig gewesen sei, habe er sie eben nach Herrenart bestraft! Eine Befragung des Mädchens war sinnlos, da sie nicht schreiben konnte. So musste Valerius sie schweren Herzens bei ihrem grausamen Herrn zurücklassen. Das Angebot, sie zu kaufen, hatte Vindurix frech abgelehnt.
    Für den Tribun stand fest, dass es sich um einen weiteren Mordanschlag gehandelt hatte. Der Überfall durch die Gladiatoren in Rom und nun der Giftanschlag ergaben eine klare Linie: Irgendjemand versuchte, ihn an der Erledigung seiner Mission zu hindern. Aber wer? Der Zettel mit seinem warnenden Hinweis, der ihm in Rom zugesteckt worden war, fiel ihm ein: »Vertraue nicht der Kaiserin!« Aber wie konnte Agrippina hinter diesem Komplott stehen? Sie selbst

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