Agrippina - Kaiserin von Rom
gab keine. Gaius Volturcius Crassus war in Rom mit Valeria Sophonia verheiratet gewesen, der er aber nach wenigen Jahren den Scheidebrief geschickt hatte, weil sie es mit der ehelichen Treue durchaus nicht sonderlich ernst genommen hatte. Da die Ehe kinderlos geblieben war, gab es nur noch einen Bruder, der hinter der Bahre hätte gehen können. Der aber war Legat in Syrien und somit dienstlich verhindert.
Der Zug hatte jetzt die von Einheimischen bevölkerte Vorstadt hinter sich gelassen und sein Ziel fast erreicht. Links und rechts des Weges standen die Menschen schweigend und bezeugten demToten ihren Respekt. Wenig später war der Begräbnisplatz erreicht. Dutzende von kleineren und größeren Grabmälern, die meisten aus Stein, manche aber auch aus Holz, bildeten einen ungesäumten Platz, dazwischen auch viele einfache Steine, die in kurzen Worten an die Verstorbenen erinnerten.
» Deponite !« Auf dieses Kommando hin setzten die Träger ihre Totenbahre ab, um sie gleich darauf auf den vorbereiteten Scheiterhaufen zu legen. Die Musikanten stellten ihr Spiel ein, die Klageweiber ihr Geschrei. Alle versammelten sich um den Toten und warteten auf den letzten Dienst, den man ihm noch erweisen konnte, die Laudatio funebris – die Totenrede. In Ermangelung eines Verwandten war diese Aufgabe dem Dienstälteren der Duumviri zugefallen, dem Manlius Caecilius, und er entledigte sich dieser Aufgabe mit der Souveränität des Berufspolitikers. In kurzen aber beredten Worten schilderte er die glänzende Laufbahn des Verstorbenen in Rom und in der Provinz und beklagte trauervoll den allzu frühen Tod. Besonders stellte er heraus, dass Volturcius Crassus sich bis zuletzt für die junge Stadt eingesetzt habe, und er sehe es als besonderen Verdienst des Verstorbenen an, dass er im Kampf für diese Stadt gefallen sei. Dann wandte er sich dem Leichnam zu und rief mit pathetischer Stimme. »Diese Münze soll Charon bewegen, dem Toten eine gute Überfahrt ins Reich der Seelen zu schenken.«
Er hob die Münze hoch, damit sie jeder sehen konnte, und legte sie dann unter die Zunge des Verstorbenen.
»Möge es dem edlen Toten in der anderen Welt niemals an Speise und Trank mangeln!«
Mit diesen Worten wies er auf den ersten der beiden großen Tonkrüge hin, die vor dem Scheiterhaufen standen. In ihm waren Teller, Schüsseln, Messer, Gabel und mehrere Becher enthalten.
»Möge der edle Tote in der anderen Welt nichts von dem vermissen, was ihm in dieser am Herzen lag!«
Damit zeigte er auf den zweiten, größeren Krug, der eine kleine Auswahl von Waffen, Schmuck und Kleidung enthielt. Einer der Legionäre reichte ihm sodann eine Fackel, die Manlius Caecilius in die Höhe hielt.
» Vale – Leb wohl, Gaius Volturcius Crassus! Sit tibi terra levis – möge dir die Erde leicht sein!«
Dann zündete er den Scheiterhaufen an, dessen Flammen Sekunden später hoch in den Himmel stiegen. Sogleich stimmten die Musiker ihre Weisen wieder an, und die Klageweiber begannen mit ihren Klagen, schauriger und schlimmer als zuvor.
Schweigend beobachteten die Trauergäste, wie die Flammen den Körper des Verstorbenen verzehrten. Mancher musste daran denken, dass der Curator eben im Kampf gegen diese Flammen gefallen war. Jetzt hatten sie ihn ein zweites Mal erreicht und würden ihn für alle Zeit vernichten. Wenn die Flammen erloschen sein würden, würde man die Überreste in einer Urne sammeln und zusammen mit den Grabbeigaben beisetzen. Bald würde ein würdiger Grabstein die Erinnerung an den Toten festhalten, der Auftrag für die Herstellung war bereits ergangen.
Nachdenklich und schweigend verließen die meisten Trauergäste den Bestattungsort, während einigen tatsächlich schon die ersten scherzhaften Worte über die Lippen sprudelten.
XVIII.
Die Witwengruft
Während an der Begräbnisstätte Ad efferendum noch die letzten Flammen des Totenfeuers glühten, schmückte man in der Ubierstadt schon längst die Straßen für das große Fest. Isis, die geheimnisvolle Gottheit aus dem Osten, forderte ihren Tribut.
Beide Hauptstraßen der Stadt waren mit Girlanden und bunten Bändern geschmückt, wobei vielfach die halfen, die gestern noch die letzten Flammen des furchtbaren Feuers ausgetreten hatten. Entlang des Zugweges hatten die fliegenden Händler ihre Stände errichtet und rieben sich die Hände angesichts der zu erwartenden Einnahmen. Gehörte auch Isis nicht zu den römischen Gottheiten, die von Staats wegen verehrt wurden, so war
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