Agrippina - Kaiserin von Rom
bei beiden genug Grund zum Lachen haben!
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Zum gleichen Zeitpunkt tut sich im fernen Rom Merkwürdiges: Der ruminalische Baum auf dem Comitium , der achthundertdreißig Jahre zuvor den Stadtgründern Romulus und Remus als Säuglingen Schatten gespendet hat, verkümmert durch Absterben der Äste und Verdorren des Stammes.
»Ein schlimmes Zeichen!«, flüstern die Menschen und schauen sich betreten an. »Wann hat es das schon gegeben? Die Götter zürnen uns! Was mag wohl die Zukunft bringen?«
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»Hominem mortuum in urbe ne sepelito neve urito – Einen Verstorbenen sollst du innerhalb der Stadt nicht bestatten und nicht verbrennen!« Dieses uralte Gebot aus dem Zwölftafelgesetz von 450 v. Chr. hatte immer noch Bestand, und zwar im ganzen Reich. Die Gründe waren vielschichtiger Art. Zum einen reichte das Platzangebot in den Städten naturgemäß nicht für größere Grabanlagen aus. Zum anderen fürchteten die abergläubischen Römer spukende Tote, die aus ihren Gräbern kommen und die Menschen in Angst und Schrecken versetzen könnten. Letztlich fürchtete man, die Krankheiten, die zum Tod geführt hatten, könnten sich auf die Lebenden übertragen. So fügten sich alle Städte klaglos diesem jahrhundertealten Gebot und richteten weit außerhalb der Stadt die Begräbnisstätten ein.
Da die Gräberfelder südlich der Ubierstadt alle ein Raub der Flammen geworden waren, musste man notgedrungen in den südwestlichen Außenbereich ausweichen. So verließ der Trauerzug die Stadt durch eines der beiden südwestlichen Tore, durch das die breite Ausfallstraße in Richtung Augusta Treverorum führte. Hier, im Südwesten der Stadt, weniger als eine Fußstunde entfernt, war unlängst ein neues Gräberfeld entstanden, das die Agrippinenser Ad efferendum nannten, und die Bezeichnung war nur zu wahr, denn hierhin wurden die ärmeren Toten hinausgetragen.
So weit musste man heute nicht laufen, denn schon auf halber Strecke, geradewegs unweit eines kleinen Baches, lag die Begräbnisstätte für den Curator. Auch dieser kleine Bach hatte für die Stadt seine Bedeutung. Denn zum einen speiste er Brunnen und Trinkwasseranlagen, zum anderen machte sein gewundener Lauf kurz vor der Mündung in den Rhenus eine Anpassung der südlichen Stadtmauer notwendig, weshalb an dieser Stelle auf die ansonsten strikte Geradlinigkeit der Mauerführung zum Leidwesen der um Perfektion bemühten Mensoren verzichtet werden musste. Sie passierten nun die kleine Mühle, in der mit Wasserkraft der weiche Tuffstein gemahlen wurde, was dem kleinen Bach seinen Namen gab, Rivus tophus, Tuffbach.
An der Spitze des Bestattungszuges gingen Hornisten und Flötenspieler, die verhaltene traurige Melodien erklingen ließen. In kurzen Abständen holten sie zu einem kraftvollen Fortissimo aus,um die Bedeutung des Verstorbenen und seine Verdienste akustisch in Erinnerung zu rufen. Dahinter gingen die Praeficae, gemietete Klageweiber, die sich ihren kargen Lohn durch lautes Klagen und Schreien verdienten. Hinter den Klageweibern schritten in würdigem Zug die Honoratioren der Stadt, die Stadtverordneten, die Beamten, die Offiziere aus den Garnisonen Bonna und Novaesium . Sie trugen Wachsbilder des Verstorbenen und seiner Vorfahren oder Tafeln, auf denen die Titel und Leistungen des Toten zu lesen waren. Immerhin hatte Gaius Volturcius Crassus vor seiner Amtszeit in Colonia Claudia Ara Agrippinensium in Rom die Ämter eines Aedils und eines Prätors innegehabt und war selbstverständlich Mitglied des Senats gewesen. Dahinter folgte die offene Totenbahre, die von acht Legionären getragen wurde.
Der Leichnam war in kurzer Zeit durch einen Salber hergerichtet worden. Die schrecklichen Brandwunden waren mit einer Unmenge von Salbe und Creme übertüncht worden, was dem Gesicht des Toten einen maskenhaft starren Ausdruck verlieh. Bekleidet war er mit seiner besten Amtstoga, die in weitem Faltenwurf seinen Körper bedeckte. Es folgte Valerius mit seiner Vigiltruppe, in bester Paradeuniform (die man sich freilich in der Garnison Novaesium hatte ausleihen müssen), dahinter eine Abordnung von fünfzig Legionären unter dem Kommando des Tribuns Titus Flavius Vespasianus. Den Abschluss bildete eine dichte Menge von Bürgern der Stadt, die es ihrem Curator und ehemaligen Prätor nicht vergessen hatten, dass er im Kampf gegen das furchtbare Feuer gefallen war, das sie alle bedroht hatte.
Der aufmerksame Leser wird die trauernden Hinterbliebenen vermissen – aber es
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