Agrippina - Kaiserin von Rom
möglicherweise zu kriegerischen Auseinandersetzungen kommen. Das alles scheint man in Rom schon zu wissen, denn eine Woche nach meiner Ankunft in Mogontiacum kam der Befehl, dass ich bis auf weiteres Statthalterschaft und Oberbefehl in Germania Inferior behalte. Dazu versehe ich vorübergehend das Amt des Curators. Und nun bin ich wieder hier.«
Er lächelte Valerius freundlich an. Dann ergriff er plötzlich seinen Arm und rief: »Wir wollen einen kleinen Spaziergang durch die Stadt machen. Hier im Prätorium fällt mir langsam die Decke auf den Kopf. Ich kann vor lauter Aktenstaub nicht mehr atmen. Ich bin ein Mann des Feldlagers, nicht der Akten, wie unser ... guter Pausanias draußen.« Bei den letzten Worten hatte er die Stimme deutlich angehoben.
»Ich habe ihn schon kennen gelernt«, erwiderte Valerius, »ein unangenehmer Bursche ...«
Doch Duvius Avitus legte seine Finger auf die Lippen und bedeutete Valerius zu schweigen. Er hüllte sich in seinen Mantel, und beide Männer verließen das Amtsgebäude. Schweigend wandten sie sich nach links, gingen am Marstempel vorbei in Richtung Capitolium . Plötzlich ergriff der Statthalter das Wort.
»Verzeih, dass ich dir plötzlich zu schweigen befahl. Dieser Pausanias ist nicht nur ein unangenehmer Bursche, ich bin sicher, er ist auch ein Spion, der mich überwachen soll.«
»Dich überwachen? Wer ... ich meine, in wessen Auftrag sollte das geschehen?«
»Ich weiß es noch nicht, aber ich werde es herausfinden. Ich wurde gewarnt. Wie du vielleicht weißt, stammen Afranius Burrus, dein ehemaliger Vorgesetzter bei den Prätorianern, und ich aus dem gleichen Geburtsort, das verbindet.«
Valerius schüttelte den Kopf. »Wusste ich nicht!«
»Wir stammen beide aus Vasio Vocontiorum .«
»Das liegt in ...«
»In der Narbonensis. Jedenfalls wurde ich von Burrus gewarnt, dass man mir mit dem guten Pausanias eine Laus in den Pelzgesetzt hat. Aber da der gute alte Viridorix von den Göttern plötzlich abberufen worden war, brauchten wir im Stabsquartier dringend einen neuen Schreiber. Und auf einmal stand Pausanias vor mir, frisch aus der Hauptstadt, ein kaiserliches Empfehlungsschreiben in den gichtigen Fingern, eins, das man unmöglich übersehen konnte. Irgendjemandem war es sehr wichtig, dass er diese Stelle bekam, und seitdem geht alles, was ich sage oder diktiere, durch seine Finger. Mir ist sehr unwohl dabei, aber immerhin kenne ich die Gefahr. Du solltest dich nicht mit dieser Laus anlegen!«
Zu spät, dachte Valerius. Die Warnung kam zu spät. Er würde sich künftig vor dem hochnäsigen Schreiberling in Acht nehmen.
Sie verließen die Parallelstraße zum Cardo Maximus und bogen nach links in eine kleine Seitengasse ab, die zum Rhein herunter führte. Hier befanden sich die kleinen, aber ansehnlichen Wohnhäuser derer, die in der Ubierstadt zu einem gewissen Wohlstand gekommen waren: Händler, Kaufleute, Gasthausbesitzer. Die Häuser waren gepflegt, und die meisten von ihnen verfügten über einen dezenten bunten Anstrich. Wie so häufig waren die der Straße zugewandten Fassaden fast fensterlos. Hier besaß man Reichtum, aber man zeigte ihn nicht.
»Überhaupt scheint die Tätigkeit eines Schreibers in unserer kleinen Stadt mit Gefahren verbunden zu sein, nicht wahr?«, nahm Avitus lächelnd das Gespräch wieder auf.
»Gefahren? Wie meinst du das, Statthalter?«
Lucius Duvitus Avitus zeigte auf eine Latrina Publica , die einige Schritt von ihnen entfernt stand. Das Lächeln war aus seinem Gesicht verschwunden. Das windschiefe Häuschen der öffentlichen Toilettenanlage machte den Eindruck, dass der nächste heftigere Windstoß es wegfegen würde. Die Tür am Eingang war herausgebrochen und lag davor.
»An diesem ungastlichen Orte fand einst ein amtlicher Schreiber seinen unwürdigen Tod. Erinnerst du dich?«
Valerius war höchst erstaunt. Woher bei den Göttern wusste er das?
»Sextus Arusius. Du meinst den Schreiber des Aedils. «
Duvitus Avitus nickte nur und rieb sich die kalten Hände. »Es stimmt. Man fand ihn hier. Erwürgt von unbekannter Hand. Erwar eines der Mordopfer, die es hier vor fünf Jahren gegeben hat. Er war wie die anderen Christ und musste sterben, weil er ...«
»Weil er Mitwisser eines tödlichen Geheimnisses war, nicht wahr?«
Valerius musste ein ziemlich dummes Gesicht gemacht haben, denn der Statthalter brach in schallendes Gelächter aus.
»Du wunderst dich, dass ich dies alles weiß, nicht wahr?«
»In der Tat. Du
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