Agrippina - Kaiserin von Rom
schadhaftes Raubtiergebiss entblößte.
» Impetus !«
Diesen Schrei kannte man in allen Teilen der Welt, in die jemals ein römischer Legionär seinen sandalenbewehrten Fuß gesetzt hatte. Es war der alte Schlachtruf der Legionen, den der Statthalter von sich gab, und im gleichen Augenblick stürzte er sich auf den Sprecher und versuchte, ihm seinen Dolch in den Leib zu rammen. Der aber wich geschickt aus und stieß seinerseits mit der Sica nach dem Angreifer. Nur knapp verfehlte er den Arm des Statthalters.
Valerius hatte sich inzwischen herumgedreht. Die beiden Männer hinter ihm waren kleiner und von gedrungener Gestalt, typische Handlanger, aber keine Kämpfer. Sie schienen auch, abgesehen von einem Holzknüppel, unbewaffnet. Blitzschnell drang Valerius auf sie ein. Dem ersten versetzte er mit der flachen Klinge des Schwertes einen schmerzhaften Schlag gegen die Brust, den zweiten stieß er nieder, als dieser gerade mit dem Knüppel auf ihn einschlagen wollte. Ein wilder Schrei zeigte ihm, dass er gut getroffen hatte. Während der eine blutüberströmt auf den Boden sankund der andere sich stöhnend die Brust rieb, drehte Valerius sich blitzschnell um.
Dem kahlköpfigen Wortführer der räuberischen Gruppe war es inzwischen gelungen, dem Statthalter den Dolch zu entwenden. Die beiden Männer waren in ein wildes Ringen vertieft, und die kurze Sica des Räubers schwebte wie eine metallgewordene Drohung über dem Kopf des Avitus. Ganz plötzlich aber ging Avitus in die Knie und ließ sich nach hinten fallen. Für einen Augenblick stand der verdutzte Anführer allein da, die Hände zum Stoß erhoben. Im nächsten Augenblick schon hatte Avitus dem Mann einen fürchterlichen Tritt in den Unterleib versetzt, was einen heulenden Aufschrei zur Folge hatte. Während der Kahlkopf noch zu Boden ging, schnellte Avitus nach vorne und ließ eine krachende Rechte an das Kinn des Mannes folgen, die ihm endgültig den Rest gab.
Nun endlich wollte auch der Dritte eingreifen, der bisher ergriffen dem Kampf zugesehen hatte. Er stieß einen tierischen Schrei aus, zog aus seinem Mantel eine dicke Eisenstange und wollte diese gerade auf den Kopf des Statthalters niedersausen lassen, als ihn das Schwert des Tribuns von der Seite durchbohrte. Und dies geschah so heftig, dass die Klinge auf der anderen Seite heraustrat. Einen Augenblick lang stand der Mann da, ungläubig starrten seine trüben Augen auf die grässliche Wunde, seine Finger klammerten sich um die blutrote Schwertspitze. Dann fiel zuerst die Eisenstange mit blechernem Klang zu Boden. Sekunden später stürzte der Mann wie ein gefällter Baum. Ein Schwall von dunkelrotem Blut trat aus dem Mund des Sterbenden.
Mit einem Ruck zog Valerius sein Schwert ungerührt aus dem Leib des Toten und blickte sich um. Drei Männer lagen tot oder kampfunfähig auf dem Boden, der vierte war geflohen.
»Wo bleiben deine Vigiles , wenn man sie braucht?«, grinste Avitus. Er erhob sich keuchend und klopfte mit kräftigen Schlägen den Schmutz von seinem Umhang.
»Gute Arbeit, Tribun! Du warst zur rechten Zeit da!«
Nachdenklich betrachtete er die Eisenstange, die vor seinen Füßen lag.
»Bei Jupiter, du hast mir das Leben gerettet. Ich werd’ dir das nicht vergessen!«
Valerius winkte ab. »Bei allen Göttern! Du bist auch nicht in schlechter Form, Procurator. Wo hast du diesen Trick gelernt?«
»In der Arena meiner Heimatstadt. Als Jugendlicher habe ich oft beim Training der Gladiatoren zugesehen, und die besten Tricks habe ich mir gemerkt.«
Rasche Schritte aus der Richtung des Südtors näherten sich, laute Stimmen, Hundegebell, tanzender Fackelschein erhellte die enge Gasse.
»Stehen bleiben! Die Waffen nieder!«, herrschte eine altersraue Stimme. »Was ist hier los?«
Als das Fackellicht den Kampfort erreicht hatte, wurde der Sprecher blass. Er nahm stramme Haltung an und salutierte.
»Oh ... Statthalter, Tribun. Ihr ... Ihr müsst verzeihen, ich habe euch nicht sofort erkannt.«
Der Sprecher war ein Legionär der Torwache. Seine zahlreichen Narben und das entschiedene Auftreten wiesen ihn als Veteranus aus. Zwei weitere Legionäre waren ihm gefolgt, der eine von ihnen war heftig bemüht, den mächtigen Molosserhund zurückzuhalten, den er an einer schweren Kette hielt. Der Mann war offensichtlich durch den kurzen Lauf schon völlig außer Atem und benötigte einige Sekunden, bevor er sprechen konnte. Dass er außerdem vor einem Tribun und gar dem Statthalter persönlich
Weitere Kostenlose Bücher