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Agrippina - Kaiserin von Rom

Agrippina - Kaiserin von Rom

Titel: Agrippina - Kaiserin von Rom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf D. Sabel
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damals, dass du ... nun ... äh ... ein zweites Mal vom Tode erweckt wurdest, nicht wahr?«
    »Ja, ein zweites Mal«, sagte Maternus voller Ernst, und seine geistesabwesende Miene zeigte, dass er in Gedanken ganz weit weg war.
    »Das war in Argentoratus «, murmelte er, und die dünnen Hände fuhren fahrig über die verschlissene Tunica aus grober Wolle. Sein Gesicht verzog sich schmerzhaft, als durchlebte er die schlimmen Ereignisse ein weiteres Mal.
    »Gepredigt habe ich, gepredigt von Liebe und Vergebung. Aber sie haben mich totgeschlagen. Vierzig Tage, ja, mein Marcus, vierzig Tage habe ich im Grab gelegen. Dann haben mich meine Gefährten erweckt. Erweckt mit dem Stab des Petrus. Der Herr ist mein Zeuge.«
    Als er die zweifelnde Miene des Tribuns sah, schob er müde nach: »Aber auf sein Zeugnis wirst du wohl nichts geben, nicht wahr? Und doch ist es die Wahrheit. Schau mich an! Diese Erlebnisse haben ihre Spuren hinterlassen.« Er wies auf seine schlohweißen Haare.
    »Alt und grau bin ich darüber geworden, und doch zähle ich erst vierundvierzig anni . Würdest du nicht eher glauben, einen alten Greis vor dir zu haben?«
    Die Höflichkeit verbot es Valerius, diesen Eindruck zu bestätigen. Tatsächlich sah Maternus aus wie ein alter Mann. Nur die jugendlich-lebhaften Gesichtszüge widersprachen noch diesem Eindruck.
    Lange Zeit schwiegen die Männer und hingen ihren Gedanken nach. Plötzlich wurde das Schweigen durch ein Hüsteln unterbrochen.
    »Verzeih, Tribun. Ich habe angeklopft, aber ihr habt mich nicht gehört.«
    »Vaniclius, ja ... äh, was ist?«
    »Das kam soeben aus dem Stabsquartier, Tribun. Der Bote sagte, es sei dringend.«
    »Aus dem Stabsquartier?«
    Der Milizionär reichte Valerius eine kleine Schriftrolle. Eilig entrollte Valerius den Libellus und warf einen hastigen Blick darauf.

    Dem Marcus Valerius Aviola einen Gruß
    Sobald es deine Zeit erlaubt, wirst du um einen Besuch
    im Prätorium gebeten.
    Pausanias, 1. Kanzleischreiber

    Valerius schien etwas irritiert zu sein. Ratlos starrte er auf die Schriftrolle.
    » Pausanias? Kenn ich nicht. Wer bei allen Göttern ist das? Und wer will mich so dringend sehen? Verzeih, edler Maternus, wir werden unser Gespräch ein anderes Mal fortsetzen müssen.«
    »Natürlich, Marcus. Wenn du nichts dagegen hast, werde ich inzwischen einen Besuch bei Dirana machen.«
    »Sicher wird sie sich freuen«, murmelte Valerius zerstreut. In Gedanken war er aber schon im Stabsquartier.

XXII.
Überfall in der Sichelmachergasse
    Die Formulierung »sobald es deine Zeit erlaubt« bedeutet im Militärdienst »sofort«, und so betrat Valerius nach weniger als zehn Minuten das Prätorium. Jetzt, in der Stunde anbrechender Dämmerung, begannen die Straßen der Stadt sich zu leeren, und die meisten Passanten strebten eilig nach Hause. Ein kühler Wind strich durch die Gassen und Valerius wickelte sich tief in seinen Mantel. Er hatte überhaupt keine Vorstellung, wer ihn so dringend zu sehen wünschte. Die beiden Wachen salutierten mit ernster Miene, und ein Sklave bat ihn, einen Augenblick zu warten, um ihn wenig später in den ersten Stock des Amtsgebäudes zu führen. Hier hatte der Statthalter und Oberbefehlshaber residiert, aber der war vor zwei Monaten abgereist. Der neue konnte unmöglich schon da sein, jetzt im Winter, bei den vereisten Straßen und den zugeschneiten Passwegen.
    » Sei gegrüßt, hochedler Tribun«, begrüßte ihn im Vorzimmer ein runzliges altes Männlein, dessen Gesicht von tausend Falten durchzogen war. Eine hässliche Narbe am Kinn zeugte von einem wohl eher unfreiwilligen Kampfeinsatz, denn dass dieser Mann einmal gedient haben könnte, schien mehr als unwahrscheinlich. Die lange, hakenartige Nase und die kleinen gelben Augen verliehen seinem asketischen Gesicht das Aussehen eines Geiers, der auf sein nächstes Opfer wartete.
    »Ich bin Pausanias, der erste Kanzleischreiber! Euch stets zu Diensten!«
    Er erhob sich von seinem schmalen, mit Schriftrollen überladenen Schreibtisch und deutete eine höfische Verbeugung an, was den Eindruck, dass er einen Buckel besaß, noch verstärkte. Für einen Kanzleischreiber mochte die goldverbrämte Tunica , die er um den schlotternden Leib trug, wohl eher als luxuriös gelten. Gleiches galt für die Ringe, mit denen die dürren Finger geschmückt waren. Ohne Zweifel handelte es sich um die profitablen Resultate gelungenerBestechungen, mutmaßte Valerius, und hatte damit, ohne es zu wissen, den Nagel auf

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