Agrippina - Kaiserin von Rom
stellen.
»Wer ist der Riese da in der goldverbrämten Tunika?«
»Faustus Celerinus, der Quaestor . Ein sehr angenehmer und gebildeter Mann. Komm, ich stelle euch vor.«
Aber noch bevor sie den Quaestor erreichten, wurden Valerius’ Blicke magisch von Dirana angezogen, die gerade eingetreten war. Sie hatte das Gewand gewechselt und sah jetzt so natürlich aus wie bei ihrer ersten Begegnung mit Valerius. Wie die anderen Sklaven half sie, die Gäste zu bedienen.
»Sie gefällt dir, unsere Dirana, nicht wahr?«, schmunzelte Quintus.
»Ein prächtiges Weib«, murmelte Valerius fasziniert.
»Möchtest du sie haben?«
»Haben? Wie meinst du das? Ob ich sie kaufen will?«
»Kaufen?« Quintus lachte schallend, einige Köpfe drehten sich erstaunt herum.
»Mein Vater würde Dirana sicherlich nicht verkaufen. Ich dachte eher, sie dir für eine Nacht zu überlassen. Du musst wissen, mein Vater ist in dieser Beziehung nicht kleinlich«, gab Quintus mit einem Augenzwinkern preis. Valerius lehnte lächelnd ab. Solch ein Geschäft entsprach nicht seinem Geschmack.
Sie traten auf den Quaestor zu, der mit dem Flottenkommandanten und einem würdigen Greis ins Gespräch vertieft war. Quintus stellte den alten Mann als den ehemaligen Consul Gaius Sallustius Passienus vor.
»Du stammst aus der Familie der Sallustier?«, fragte Valerius. »Bist du mit dem großen Gaius Sallustius Crispus verwandt, dem berühmten Schriftsteller?«
»Er war mein Großonkel. Aber dass ein junger Tribun den Sallust kennt, freut mich sehr.«
»Er war ein großer Mann, Gaius«, mischte sich der Quaestor ein.
»Immer wieder gerne nehme ich seine Coniuratio Catilinae zur Hand. Man kann auch für unsere Zeit viel daraus lernen.«
»Und was?«, meldete sich Quintus neugierig.
»Eine Verschwörung, wie Catilina sie plante, musste zum Scheitern verurteilt sein. Man lehnt sich nicht gegen die Autorität des Staates auf, das ist unrömisch.«
»Und wenn der Staat in der Hand eines Wahnsinnigen ist, wie es bei Gaius Caligula war? Ist es dann auch nicht erlaubt, sich von den Fesseln der Tyrannei zu befreien?«
»Unsere Kaiser werden von den Göttern eingesetzt«, erwiderte der Greis, »die Menschen haben nicht das Recht, Gewalt gegen sie anzuwenden. Wenn ein Kaiser sich als unfähiger Herrscher erweist, so ist er abzusetzen und ins Exil zu schicken. So haben es unsere Väter mit Tarquinius Superbus gemacht, und so ist es recht. Alles andere ist Frevel. Kaiserliches Blut gar zu vergießen, ist eine Untat, die Sühne fordert.«
»Da bin ich ganz anderer Meinung!« Die tiefe Stimme des Flottenkommandanten Manlius Flaminius Cotta dröhnte durch den Raum. »Wer den halben Senat abschlachtet, wer gar sein Lieblingspferd zum Consul ernennt und ihm einen Stall aus Marmor, eine Krippe aus Elfenbein, purpurne Decken und Geschmeide aus Edelsteinen gibt, der ist größenwahnsinnig und verdient keine Gnade. Die Götter selbst haben ihn gerichtet.«
Unbemerkt war der Gastgeber zu den Männern getreten. »Du meinst also, verehrter Manlius, dass ein Kaiser abzusetzen ist, wenn er seiner Pflicht nicht in rechter Weise nachkommt, und wenn nötig mit Gewalt?«
»In der Tat, das meine ich. Der Thron eines Cäsars von Rom ist viel zu erhaben, um von würdelosen Männern besudelt zu werden.«
»Gilt das auch für den jetzigen Kaiser?«, wollte Statilius wissen und fuhr gleichgültig mit den Fingern über den Rand seines Bechers.
»Für den göttlichen Claudius? Bei den unsterblichen Göttern! Nie würde ich es wagen, an der göttlichen Bestimmung unseres Cäsars zu zweifeln. Die Götter haben uns einen gnädigen und umsichtigen Herrscher geschenkt.«
In einem gewaltigen Zug leerte der Kommandant seinen Becher. »Ich muss mich über deine Worte wundern, lieber Statilius. Wenn ich dich nicht als loyalen und staatstreuen Mann kennen würde, könnte das nach Hochverrat klingen.«
Erschrocken wiegelte der Aedil ab und legte begütigend seine Hand auf die Schulter des Soldaten. »Bei meiner Ehre! Es handelte sich um eine rein akademische Frage ... Lasst uns den Becher auf unseren ehrwürdigen Cäsar erheben!« Die Männer tranken auf das Wohl des Kaisers, und der Aedil verließ schnell wieder die Runde.
»Der Gute ist etwas durcheinander, scheint mir«, meinte Gaius Sallustius mit schwerer Zunge.
»Sicher wegen der Morde in unserer Stadt«, ergänzte der Flottenkommandant, »man sagt, er müsse damit rechnen, demnächst zur Berichterstattung nach Rom gerufen zu
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