Agrippina - Kaiserin von Rom
oder das des Flottenkommandanten aus Bonna , Manlius Flaminius Cotta, der ihm gegenüber lag und ihm freundlich zunickte. Valerius zählte acht Männer und lediglich drei Frauen, die ihm alle unbekannt waren. Vergeblichhielt er Ausschau nach Dirana, aber er konnte sie auch unter den Sklavinnen nicht entdecken, die zur Bedienung der Gäste an den Wänden standen.
»Wie gefällt dir unsere Colonia Claudia Ara Agrippinensium , Tribun?«, hörte er Quintus sagen.
»Wie ... was ... ja, gut, eine aufblühende kleine Stadt. Sehr sauber und mit ansehnlicher Architektur. Was ich gesehen habe, gefällt mir. Eine typisch römische Stadt eben.«
»Genau«, pflichtete Quintus ihm bei, »ein bisschen wie in Rom, nur eben viel kleiner – aber auch übersichtlicher. Ein Schandfleck wie die Subura fehlt, und mein Vater achtet sehr darauf, dass nichts Ähnliches entsteht.«
Ihr Gespräch wurde unterbrochen, weil eine Gruppe von fünf Sklaven mit einer musikalischen Darbietung begann und die Aufmerksamkeit der Gäste für einen Augenblick auf sich zog. Zwei Flötenspieler trugen ein altbekanntes, fröhliches Hirtenlied auf ihrer Tibia vor. Sie wurden von Sklaven auf einer Pandura , einer Lyra und einer Cithara begleitet. Es folgte ein schwermütiges Soldatenlied, das einige der Gäste nachdenklich mitsummten. Plötzlich öffnete sich die Gruppe und machte Platz für eine Sklavin in einer hellblauen kurzen Tunika. Es war nicht Dirana, wie Valerius gehofft hatte. Mit einem klaren Sopran stimmte sie ein Liebeslied an, im Hintergrund dezent von den Musikanten begleitet. Klar und hell tönte ihre liebliche Stimme durch das Speisezimmer und brachte alle zum Schweigen. Während die Sklavin weitersang, ließ Valerius bewundernd seine Blicke durch das Speisezimmer schweifen. Die weiß gekalkten Wände, an Boden und Decke mit goldener Ornamentik nach griechischer Art eingefasst, zeigten in verschwenderischen Farben Bilder der römischen Mythologie. Hier schützte Diana eine Hirschkuh vor dem Jäger, dort tauchte der bärtige Neptunus mit seinem gewaltigen Dreizack aus den Fluten des schäumenden Meeres. Auf der Stirnseite des Raumes leerte Bacchus mit trunkenem Blick eine Karaffe goldenen Weins, und auf der gegenüberliegenden Seite, durch den Türbogen zerrissen, säugte eine schwarze Wölfin Romulus und Remus an ihrer Brust. Bedrohlich scharf stachen die weißen Eckzähne hervor. Der Boden war ganz mit einem schneeweißen Mosaik bedeckt, das von blutrotenSteinen umrandet wurde, und schuf so einen eindrucksvollen Kontrast zur farbmächtigen Gestaltung der Wände.
Aufbrausender Beifall riss Valerius aus seinen mythologischen Träumen. Die Sklavin hatte ihren Beitrag beendet und empfing ihren verdienten Lohn.
»Sie hat schon eine tolle Stimme, unsere Arania! Was meinst du, Tribun?«
»Ohne Zweifel«, erwiderte Valerius, während seine hungrigen Blicke zu den Sklaven wanderten, die die ersten Speiseschüsseln brachten, »ohne Zweifel eine außergewöhnliche Stimme. Besitzt ihr die Sklavin schon lange?«
»Mein Vater hat sie von Tullius Torquatus Niger als Geschenk erhalten. Kennst du ihn?«
Valerius schüttelte den Kopf. »Sollte ich?«
»Er ist ein unheimlicher Mann. Immer in schwarz gekleidet und mit finsterer Miene, deshalb auch der Beiname. Ich mag ihn nicht. Ab und zu besucht er uns und spricht mit meinem Vater, aber ich weiß nicht, worum es da geht. Aber sieh, jetzt wird dein knurrender Magen besänftigt.«
Bei dieser Beschreibung zuckte Valerius für einen Augenblick das Gesicht eines Mannes durch den Sinn, verlosch aber sofort wieder. Tatsächlich hatte der Magen des Tribuns sein Unbehagen unüberhörbar geäußert, was Valerius recht peinlich war. Der Nomenclator war zwischen die Liegen getreten und wies auf die Schüsseln. Mit lauter Stimme rief er die Speisen aus: »Erhabene Gäste des Publius Statilius Taurus! Seht jene Vorspeise, die eure Gaumen kitzeln, aber eure Mägen doch nicht sättigen soll: Fische in Garum aus unserem heimischen Rhenus , umlegt mit weichen Eiern und frischen, grünen Salaten, dazu Vinum austerum von den Hängen der Mosella .«
Auf silbernen Platten reichten die Sklaven die Speisen und stellten sie auf die niedrigen Tische, die vor den Liegen standen. Beherzt griff Valerius zu, obwohl er wusste, dass dies nur den Auftakt zu einem langen und sicherlich äußerst schmackhaften Mahl bildete. Der zarte Fisch schmeckte vorzüglich, die Salate waren fest und frisch. Behaglich lehnte Valerius sich zurück
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