Ahnentanz
schikanieren und zu bestehlen, sondern um sie zu töten. Schon als sie ihn heranreiten sah, wusste sie, dass sie sterben würde. Deshalb übergab sie das Tagebuch Henry, dem Verwalter, der geblieben war, um ihr zu helfen. Sie wollte nicht, dass er ebenfalls starb, deshalb befahl sie ihm, sich mit dem Tagebuch und dem Baby, das Sloan niemals zu sehen bekommen hatte, zu verstecken.
Grebbe fand sie, und Sloan kam genau rechtzeitig, um sie sterben zu sehen, als Grebbe sie auf den Balkon jagte und sie sich hinunterstürzte, um ihm zu entkommen. Er schoss auf ihn und verwundete Grebbe, und dann tauchte Brendan auf. Er erkannte Sloan nicht und hielt ihn vermutlich für einen Deserteur der Konföderierten, der einen Unionssoldaten angriff. Also erschossensie einander, obwohl sie das niemals gewollt hatten. Und sie hatten sich auch nicht wegen Fiona gestritten.“
„Wie um alles auf der Welt kannst du all das aus Fionas Tagebuch erfahren haben?“, fragte Aidan. „Sie war tot, nachdem sie sich vom Balkon gestürzt hatte.“
Kendall öffnete das Buch ziemlich weit hinten. „Siehst du, wie sich hier die Schrift verändert? Das hier wurde von Henry geschrieben, dem freien Schwarzen, der auf dem Anwesen geblieben war, um Fiona zu beschützen. Als alles vorüber war, vollendete er die Geschichte, bevor er sich mit dem Baby – dem Sohn von Sloan und Fiona – bis zum Ende des Krieges versteckte. Das Kind wurde Declan Flynn genannt, und als der Junge ungefähr zehn war, brachte Henry ihn zurück nach New Orleans, wo er seinen Besitzanspruch auf das Anwesen anmeldete und es schließlich auch erhielt.“
„Cool“, sagte Mason.
„Wow, damit könnt ihr eurer Party eine Menge Publicity verschaffen“, sagte Vinnie.
„Ich bin nicht sicher, ob wir so viel Publicity brauchen“, entgegnete Jeremy. „Wir müssen den Kreis auf ein paar Hundert Menschen beschränken, und ich schätze, dass wir bereits jetzt Reservierungen für diese Anzahl an Karten vorliegen haben. Andererseits geht es hier um die Geschichte des Hauses, also ist es wichtig, dass die Menschen die Wahrheit erfahren. Und gute Publicity kann nie schaden, oder?“
„Nun, ich finde es wunderbar, zu wissen, dass die beiden Cousins einander nie töten wollten, Krieg oder nicht Krieg – Publicity oder nicht Publicity“, sagte Kendall. „Und immerhin hat Brendan es geschafft, Grebbe zu erschießen, bevor er starb.“ Sie lächelte grimmig. „Wie auch immer, wenn ihr mich entschuldigt, ich gehe zurück und lese das hier noch einmal.“ Sie wandte sich an ihre Freunde. „Glückwunsch, Jungs. Und hey, Gary, hier ist dein Neuanfang.“ Sie winkte und hüpfte fröhlich zurück ins Haus.
Aidan ertappte Vinnie und Mason, wie sie ihn nach ihrem Weggang neugierig musterten.
Im Haus wimmelte es von Arbeitern, doch das störte Kendall nicht.
Sie wollte nicht im Haus bleiben. Sie wollte hinaus auf den Friedhof, doch niemand sollte sie sehen. Sie wollte nicht aufgehalten werden und erklären müssen, warum sie sicher war, dass sich auf dem Friedhof eine Art Hinweis verbarg. Und sie wollte schon gar nicht Aidan davon zu überzeugen versuchen, dass Fiona in ihren Träumen Kontakt mit ihr aufnahm. Und noch viel weniger wollte sie ihm gestehen, dass sie Henry gesehen hatte – mehrere Male.
Die Arbeiter schenkten ihr keine Beachtung, als sie an ihnen vorüberging. Das machte es ihr leicht, hinauszuschlüpfen, die Ställe zu umgehen und durch die Baumreihe hindurch zum Friedhof zu spazieren.
Sie war schon zuvor dort gewesen, unter anderem bei Amelias Beisetzung, doch heute wollte sie Grabsteine untersuchen, die sie niemals groß beachtet hatte. Sie ging vorbei an den Steinen, vor denen sie schon Dutzende Male gestanden hatte, und überging das Familienmausoleum. Sie kämpfte sich durch das hohe Gras und nahm einige der Erdgräber in Augenschein, vor allem jene, deren Grabsteine durch Baumwurzeln zerbrochen waren.
Der Friedhof sah merkwürdig aus. An einigen Stellen hatte jemand gegraben, und dann hatte man die Erde wieder auf die Gräber gehäuft.
Aidan? Es musste entweder Aidan oder einer seiner Brüder gewesen sein. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass sie irgendjemand anderen auf ihrem Familienfriedhof graben ließen.
Sie ging von Grab zu Grab. Sie war dankbar für die Brise, die vom Fluss herwehte, und sogar dankbar, dass sie das Hämmern und Sägen und die Rufe der Arbeiter hörte.
Sie ging zu dem Sarkophag, in dem Fiona MacFarlane Flynn begraben lag.
Und dann
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