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Ahoi Polaroid

Ahoi Polaroid

Titel: Ahoi Polaroid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sobo Swobodnik
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schließlich irgendetwas Unverständliches zwischen »Schwuchtel«, »Spasti« und »Schwein«.
    Ein Steward kam angelaufen, ein durchtrainierter junger Mann mit Bürstenhaarschnitt, der versuchte, Bruchmeier zu beruhigen. Was ihm aber nicht gelang. Bruchmeier schien das Schiff offenbar mit einem Theater zu verwechseln. Mit seinem Theater natürlich. Die Bar mit der Bühne. Die anwesenden Personen mit Darstellern. In einem Stück, das er glaubte, in genau diesem Augenblick kongenial zu inszenieren. Eine Schmierenkomödie. Dramatisch untermauert von seinem pathetischen und aggressiven Getue. Wäre es nicht so lächerlich gewesen, hätte man sich ernsthaft Sorgen um diese offenbar an der eigenen Erfolglosigkeit leidenden Kreatur machen müssen.
    »Ihr glaubt wohl, ihr wisst Bescheid, was? Ihr glaubt, ihr habt einen Informationsvorsprung, hä, ihr Kunstvernichter?«
    Ich nicht, dachte Plotek, der einfach nur glaubte, dass dieser Mann in höchstem Maße cholerisch und vom jahrzehntelangen Sitzen im Elfenbeinturm ein bisschen blöd geworden ist. Sogar ziemlich blöd. Was gar nicht so selten vorkommt. Das Theater ist ein Masturbationsbetrieb allerhöchster Güte. In dem jeder einzelne Protagonist glaubt, der beste Rammler zu sein. Sich dabei aber immer nur selbst befriedigt. Und das führt unweigerlich zu Inzucht.
    Mit sich selbst. Und zu Impotenz. Dass das dann Auswirkungen auf das Nervensystem haben muss, scheint zwangsläufig. Idiotie und Größenwahn werden zur Normalität. Siehe Dr. Hubertus C. Bruchmeier.
    »Ich krieg euch alle! Nicht mit mir! Was glaubt ihr denn, wer ihr seid, hä? Schweine!«, brüllte er, wischte sein Glas vom Tresen und wankte wild gestikulierend und unverständlich schimpfend durch die Bar in Richtung Tür. Dabei stieß er einen der Clubsessel um, obwohl er vom Steward eskortiert wurde. An der Tür blieb Bruchmeier noch einmal kurz stehen. Er schaute auf das versammelte Grüppchen am Tresen zurück und brüllte: »Ich hab mir nichts vorzuwerfen!« Er schwankte bedenklich. »Ich lass mir von euch nichts anhängen.« Er stach mit seinen Fingern in die Luft, als wären es spitze Nadeln. »Arschlöcher!«
    Dann war er verschwunden. In der Bar herrschte kurze Zeit betroffenes Schweigen. Der Steward kam zurück an den Tresen, und die Webers schüttelten in ihren Clubsesseln synchron die Köpfe.
    »Verfolgungswahn«, attestierte Vinzi schließlich als Erster.
    »Vielleicht hat er den Theatereinsturz nicht verkraftet.« Steffen Sailer streichelte seine Motivkrawatte mit den Comicfiguren. Erst jetzt fiel Plotek auf, dass es sich um die Biene Maja, Willi, Flip, Puck und die anderen handelte.
    »Gab es da nicht diese Geschichte, wo er, damals noch Intendant in Kassel, ein Gemeinderatsmitglied von meiner Partei bei seiner Wiederwahl erpressen wollte?«, fragte Lars Kuhlbrodt. »Angeblich hatte er belastendes Material gegen ihn in der Hand. Irgendwelche Fotos eines Seitensprungs oder dergleichen.« Alle anderen zuckten mit den
    Schultern. »Als es dann rausgekommen ist, wurde es nichts mit der Vertragsverlängerung, und Bruchmeier schien weg vom Fenster. Aber denkste!« Kuhlbrodt schaute zur Glastür, als würde er jeden Moment mit dessen Rückkehr rechnen.
    Selbst als Abwesender schien Hubertus C. Bruchmeier noch im Mittelpunkt zu stehen. Während sich Kuhlbrodt und Sailer über den Intendanten ereiferten, flirtete Swantje mit Vinzi, beobachtet von Plotek. Komisch, dachte der, was führt die im Schilde? Eher unwahrscheinlich, dass sie sich für Vinzi allein aufgrund ihrer erotischen Absichten interessiert. Oder weiß sie von der Kohle unterm Rollstuhl? Oder ist sie die beiden Aufschneider neben sich einfach leid? Den Aufschneidern hingegen war Swantje überhaupt nicht leid. Nachdem die Causa Bruchmeier abgearbeitet und ausreichend diskutiert war, widmeten sich die beiden, jetzt auch schon ziemlich knülle, wieder der schwarzhaarigen Schönheit. Wobei die zwei in ihrem Bestreben, sich vor Swantje möglichst erfolgversprechend zu produzieren und aufzuspielen, zwangsläufig aneinandergerieten. Kein Wunder, sie hatten dasselbe Ansinnen. Aber nur einer konnte, wenn überhaupt, erfolgreich sein. Unwahrscheinlich, dass Swantje sich auf einen Dreier einließ, dachte Plotek. Was zur Folge hatte, dass die beiden nicht nur jeweils sich selbst ins bestmögliche Licht rückten und mit ihren Vorzügen prahlten, als müssten sie einen alten Ackergaul an den Metzger verschachern. Sie zogen auch noch über den anderen her.

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