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Ahoi Polaroid

Ahoi Polaroid

Titel: Ahoi Polaroid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sobo Swobodnik
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Hafen von Trondheim angelegt hatte, strömten die Passagiere von Bord, um während des knapp vierstündigen Aufenthalts die Sehenswürdigkeiten der Stadt vor die Fotoapparate zu bekommen. Die meisten von ihnen schlossen sich den zweieinhalbstündigen Stadtrundfahrten an. Plotek und Vinzi nicht. Plotek hatte eigentlich überhaupt keine Lust, das Schiff zu verlassen. Er empfand es als sehr angenehm, dass auf den Decks plötzlich weit und breit kein Mensch mehr zu sehen war. Zumindest kein Passagier. Die Stewards und Stewardessen hingegen wuselten nach wie vor mit einem Lächeln auf den Lippen herum und gaben sich geschäftig. Obgleich gar nichts zu tun war.
    Plotek war nicht an Trondheim interessiert. Nicht am Nidarosdom. Nicht am Stiftsgården, einem der bedeutenden klassischen Holzbauwerke Skandinaviens. Nicht an der Synagoge, die zu den nördlichsten der Welt zählt. Nicht an den alten Speicherhäusern. Und auch nicht an der Festung Kristiansten unweit der Altstadt. Und Vinzi interessierte das alles ebenso wenig. Bis auf den Dom. Der schien es ihm, nach Swantjes Empfehlung, tatsächlich angetan zu haben. Plotek verließ dann schließlich doch die MS Finnmarken, einerseits wegen seines Hungers, andererseits weil er das Bedürfnis nach festem Boden unter den Füßen hatte, um die Schwammigkeit in den Knien und die latente Übelkeit im Bauch wenigstens für ein paar Stunden loszuwerden. Auch die ständigen Fragen der Stewardessen, warum er denn nicht das schöne Trondheim besuchen wollte, gingen ihm mit der Zeit auf die Nerven. Er konnte sich nicht an Deck blicken lassen, ohne von einem der Crew-Mitglieder aufgespürt und ebenso lächelnd wie neugierig befragt zu werden. Es war offenbar sehr ungewöhnlich, vielleicht sogar verdächtig, dass ein Passagier sich bei sommerlichen Temperaturen und Sonnenschein weigerte, der drittgrößten Stadt des Landes, gespickt mit prächtigen Sehenswürdigkeiten, einen Besuch abzustatten. Die vornehmlich norwegische Besatzung des Schiffes schien das als Beleidigung der stolzen norwegischen Seele zu empfinden. Trotz antrainiertem Lächeln und der Checkliste des Administrativ-Coachs.
    Gegen halb elf beschlossen Plotek und Vinzi schließlich, doch noch an Land zu gehen. Die Stewardessen waren erleichtert. Die beiden ließen die Sehenswürdigkeiten links liegen und begaben sich direkt in die erstbeste Gaststätte am Hafen. In Sichtweite der MS Finnmarken. Und Überraschung: Sie waren nicht die einzigen Passagiere ihres Schiffes, die diesen Ort einer Stadtrundfahrt vorzogen. Im Garten des Lokals saß an einem Tisch das frisch vermählte Ehepaar Kieninger aus der Steiermark und war ganz mit sich selbst beschäftigt. Sie küssten sich mal wieder, was sonst. Nicht weit von Ploteks und Vinzis Tisch entfernt saß unter einem Sonnenschirm Dr. Hubertus C. Bruchmeier vor einem Glas Wein und telefonierte mit seinem Mobiltelefon. Er sah dabei alles andere als zufrieden, entspannt oder glücklich aus. Ab und zu fuchtelte er mit der freien Hand in der Luft herum, als wären Gesten die besseren Argumente. Wobei doch seine Worte, so laut und vehement er sie durch den Garten des Restaurants schleuderte, kaum Widersprüche zuließen. Alle anderen wurden gezwungen, daran teilzuhaben. Die Kieningers störte das natürlich am allerwenigsten.
    »Nein, habe ich gesagt!« und »Das ist doch nicht meine Schuld!« und »Das kommt gar nicht in Frage!« und »Das hier ist wichtig!« – jeder Satz ein Ausrufezeichen.
    Sicher geht es um den Theatereinsturz im Badischen, dachte Plotek. Er konnte sich ein schadenfrohes Schmunzeln nicht verkneifen. Bruchmeiers Aufregung amüsierte ihn. Vinzi hingegen dachte: unangenehmer Typ. Dann erinnerte er sich an seine Deklamation im Großraumabteil der Deutschen Bahn. Am liebsten hätte er jetzt wieder in seine Jackentasche gegriffen und Rimbaud zu Hilfe gerufen. Aber noch ehe Rimbaud das Wort ergreifen konnte, hatte Bruchmeier schon aufgelegt.
    Der Kellner kam mit drei Speisekarten in der Hand und lächelte. Nachdem er zwei der Speisekarten Plotek und Vinzi überlassen hatte, wurde er die Dritte bei Bruchmeier los. Der blätterte sofort los, ebenso wie Plotek, der die fremden Speisenamen vorlas, während Vinzi, der seine Lesebrille mal wieder in der Kabine vergessen hatte, die genannten norwegischen Spezialitäten zu spezifizieren versuchte.
    »Smalahove«, sagte Plotek.
    Vinzi guckte wie ein Fragezeichen.
    » Geräucherter Schafskopf.«
    »Lecker!«
    »Oder Lutefisk.«
    »Lute.

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