Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ahoi Polaroid

Ahoi Polaroid

Titel: Ahoi Polaroid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sobo Swobodnik
Vom Netzwerk:
in die Speisekarte?«
    »Vor allem: Wer hat es hineingesteckt?«
    »Der Kellner?«, fragte Plotek.
    »Ne. Derjenige, der uns auch den Teller mit der Haube serviert hat.«
    Jetzt kam auch Plotek drauf und erschreckte. »Du meinst, das Foto war womöglich für uns bestimmt?«
    »Kann sein. Vielleicht hat der Kellner die Speisekarten verwechselt.«
    Vinzi nahm das Herrentäschchen von Bruchmeier unter die Lupe.
    »Pass, Zigaretten, Feuerzeug. . .« Er zögerte. »Was ist das?«
    Vinzi kramte einen Zettel hervor. Er faltete ihn auf und las.
    »Bezirksverwaltung für Staatssicherheit, Ministerium für Staatssicherheit Berlin Abteilung XX/9, Berlin 3.1.1983, Bandabschrift Quelle ›IM Broiler‹. . .«
    Er reichte das Papier an Plotek weiter. Der las den Text ebenfalls.
    »Das ist ’ne Kopie. Mit lauter geschwärzten Stellen.« Plotek zeigte auf die schwarzen Balken auf dem Papier. »Mit ziemlich vielen geschwärzten Stellen.«
    Er las leise für sich, als könne er dadurch den Sinn hinter den zerfetzten Sätzen ergründen. »Bandabschrift. . . Quelle. . . Motiv des Antrages. . . eingeleitet. . . politisch-gesellschaftliche Grundeinstellung. . . zur Erarbeitung der eingegangenen Kontakte, zur Klärung des Charakters dieser Verbindungen sowie Klärung der Absichten des. . . beim Anbieten von beruflichen Positionen des. . . die KK-Erfassung. . . dem ABV. . . sind keinerlei über den Ermittlungsbericht vom 24.12. 82 (Blatt 74-75). . . mögliche Inspirationen. . . 2. Zwischenbericht zum Stand der Realisierung der OPK. . . »Schauspieler« . . . Reg: Nr VIII 77/82 gez. IM Broiler. . .«
    »Alles sehr kryptisch«, sagte Plotek.
    »Stimmt, das ist offenbar ein Blatt aus einer Stasi-Akte.« Plotek klang, als wäre jetzt alles klar. Aber nichts war klar. Gar nichts.
    » Von Bruchmeier ?«
    »Keine Ahnung. Von Bruchmeier steht hier nichts. Hier steht nur IM Broiler.« Plotek zeigte auf die betreffende Zeile im Brief. »Der echte Name ist womöglich geschwärzt. «
    »Aber Bruchmeier ist doch Wessi, oder nicht?«, versuchte Vinzi sich zu erinnern.
    »Ja, soviel ich weiß, ist er im Westen aufgewachsen. Er war auch immer in Westdeutschland am Theater. Erst nach der Wende wurde er Intendant in der ostdeutschen Provinz. In Plauen oder Nordhausen.«
    »Was soll der denn mit der Staatssicherheit zu tun gehabt haben?« Vinzi schüttelte den Kopf.
    Das Stasi-Schreiben und das Bild vom toten Lars Kuhlbrodt lagen jetzt nebeneinander auf dem Tisch. Als gäbe es da eine unsichtbare Verbindung, einen Zusammenhang. Schweigend zerbrachen sich Plotek und Vinzi den Kopf und hatten keine noch so winzige Idee, so dass sie schließlich froh, geradezu erleichtert waren, als der Kellner mit dem Essen kam. Die Erleichterung war aber schnell wieder dahin. Der geräucherte Schafskopf sah nämlich genau so aus, wie sie sich das nicht mal im schlimmsten Alptraum vorzustellen gewagt hatten. Auf den Tellern lagen zwei lebensechte Schafsköpfe, braungebrannt, als hätten sie zu lange in der Sonne gelegen. Oder unterm Solarium. Sogar die Zunge hing noch aus dem Maul. Nur Augen hatten die Köpfe keine mehr. Was beide, Plotek und Vinzi, ob sie wollten oder nicht, an den toten Kuhlbrodt erinnerte. Und an den toten Augustin. . .
    »Gute Appetit!« Der Kellner zog gut gelaunt ab.
    Aber der Appetit war dahin und die Übelkeit wieder zurück, nationale Spezialität hin oder her.
    »Wie kann man nur so etwas servieren?« Vinzi blickte angewidert auf den Schafskopf. Der sah mit seinen schwarzen Augenhöhlen anklagend zurück.
    »Wie kann man nur so etwas essen?« Plotek musste an seinen Cholesterinspiegel denken, an Frau Dr. Hering, an Agnes, die Schlägerei, Muhammad Ali und George Foreman, an die Alpträume und . . .
    »Na, det sieht aber och jut aus!« Die Stimme kam von Herrn Weber, dem pensionierten Busfahrer aus Berlin-Köpenick, der zusammen mit seiner Frau, die er nur Mausi nannte, in identischen Sweatshirts und dazu passenden kurzen Hosen neben dem Tisch der beiden auftauchte. Beide sahen in ihrer bunten Kleidung aus, als kämen sie gerade von einem Kindergeburtstag. Wie die Kinder, nicht die Erziehungsberechtigten. Und noch mal: »Na, det sieht aber jut aus!« Es kam aus tiefstem Herzen.
    »Juten Appetit!« Auch Mausi war begeistert.
    »Leider futsch«, meinte Vinzi in Bezug auf den Appetit. Herr Weber und Mausi stemmten die Hände in die Hüften, zeitgleich und synchron, als hätten sie es nicht richtig verstanden. Oder als wollten sie es nicht richtig

Weitere Kostenlose Bücher