Ahoi Polaroid
Dankbarkeit für die Schafsköpfe.
Und schon ging die Quasselei los, gegenseitig und durcheinander. Es erinnerte an einen orientalischen Basar. Vier überdrehte Redner versuchten, sich in ihrem Mitteilungsdrang zu überbieten. Mit zwei völlig genervten Zuhörern mittendrin.
Als dann auch noch die Servier-Stewardessen mit einem norwegischen Lied auf den Lippen und einer Torte, auf denen Wunderkerzen brannten, am Tisch auftauchten, und Mausi Weber, die völlig überrascht zu sein schien, alles Gute zum Geburtstag wünschten, stahlen sich Plotek und Vinzi klammheimlich davon.
Die Bar Floybaren auf Deck 4 entwickelte sich für Plotek langsam zum Froh und Munter . Ohne Susi. Wieder saß er mit Vinzi am Tresen, sie tranken Aquavit und Bier und unterhielten sich vor allem über Abwesende. Über Pastor Augustin und Lars Kuhlbrodt. Vinzi hatte nach dem Abendessen im Internetcafe auf Deck 4 unweit der Bar mit Hilfe einer Suchmaschine Näheres über Augustin und Kuhlbrodt im Netz herausgefunden.
»Kuhlbrodt war ein hohes Tier bei den Grünen im Landesverband Baden-Württemberg«, fasste er seine Recherche zusammen. »Er wollte Ende der Neunziger auch mal Oberbürgermeister von Konstanz werden. Ist allerdings kläglich gescheitert. Er war in diversen Initiativen aktiv. Angeblich hat er zuerst in Tübingen Anfang der achtziger Jahre und anschließend in West-Berlin studiert. Politik, Germanistik.« Vinzi nahm einen Schluck Aquavit. »Er war auch in der Friedensbewegung aktiv. Protest gegen den NATO-Doppelbeschluss. Gegen die Stationierung der Pershing-II-Raketen. Mutlangen. Antiatomkraft. Gorleben. Einer, der durch alle Protestformen der achtziger Jahre gestiefelt und irgendwann oben gelandet ist. Dort hat er dann folgerichtig die löchrigen Jeans mit dem Anzug getauscht. Die radikalen Ansichten mit denen, die der Karriere nützten. Einer, der den Fanatismus mit der Kompromissbereitschaft überwunden hat. Einer, der selbst zum Kompromiss geworden ist. Typische Grünen-Karriere eben. So ein Joschka für Schwaben. Seit zwei Legislaturperioden ist er nun auch Bundestagsabgeordneter in Berlin. Ein typischer Hinterbänkler allerdings. Unauffällig, blass. Bis vor zwei Jahren war er mit einer berühmten Filmschauspielerin verheiratet. Die ich allerdings nicht kenne. So ein Serienstar, durch die auch Kuhlbrodt ein wenig aus seinem verstaubten Bundestagsschattendasein herausgeholt wurde. Die Ehe hielt aber nicht lange. Danach hatte er mehrere Affären. Scheint so ein Aufreißertyp gewesen zu sein. Es gab tatsächlich, kurz nachdem er in den Bundestag gewählt worden war, Ermittlungen gegen ihn. Wegen eines angeblichen Verhältnisses mit einer Minderjährigen. Manche behaupteten, dass er selbige missbraucht habe. Irgendwie schien das Ganze dann im Sande verlaufen zu sein. Er ist 1960 geboren, hat wohl keine Kinder und lebt in Berlin und Tübingen.«
»Was macht so einer auf einer Hurtigruten-Reise?«, war das Erste, was Plotek sagen konnte.
»Urlaub!«
Jetzt musste Plotek lachen.
»Hast Recht, eher unwahrscheinlich.«
»Der war nicht freiwillig hier.« Plotek überlegte. »Genau. Das hat er mir sogar selbst gesagt.«
»Was?«
»Ja, als ich ihn am ersten Abend an der Reling getroffen habe.«
»Aber wer hat ihn gezwungen? Und wie? Und warum?«, überlegte Vinzi.
»Der, der ihn auch umgebracht hat, vermutlich.« Plotek bestellte ein neues Bier.
»Vielleicht wegen der Missbrauchsgeschichte.«
»Kann sein. Da hatte jemand eine alte Rechnung offen.«
»Die er jetzt beglichen hat.«
»Oder irgendwas anderes.«
»Stimmt. So einer hat sicher genügend Dreck am Stecken.«
Beide dachten nach und tranken. Während Herlinde Vogler-Huth und Dr. Hubertus C. Bruchmeier kurz hintereinander die Bar betraten.
»Und Pastor Augustin?« Plotek versuchte, den Blickkontakt mit Herlinde zu vermeiden.
»Über den ist nicht so viel im Netz zu finden.« Vinzi sah sich in der Bar um. Vermutlich auf der Suche nach Swantje. »Interessant ist, dass er aus dem Nordhessischen in der Nähe von Marburg stammt, 1963 geboren. Anfang der Achtziger hat er auch in West-Berlin studiert. Theologie. Er war ebenfalls in der Friedensbewegung aktiv sowie in diversen kirchlichen Initiativen für Abrüstung, gegen Atomkraft und alles. Nach dem Studium ist er in seine Heimat zurückgekehrt und leitete seither eine Pfarrei.«
»Meinst du, es gibt einen Zusammenhang zwischen den beiden?« Plotek stierte noch immer vor sich hin.
»Vermutlich. Zumindest könnte man
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