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Ahoi Polaroid

Ahoi Polaroid

Titel: Ahoi Polaroid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sobo Swobodnik
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»Scheiße!«
    Plotek wollte das Auge im Pissoir mit einem Druck auf die Spülung der Schiffskanalisation übergeben. Aber keine Chance. Eine Klospülung ist kein Mahlstrom. Der Augapfel ging nicht unter. Er tanzte wie eine Holzkugel auf dem Plätscherwasser im Becken und blickte nach jedem Spülvorgang vorwurfsvoll zu ihm hoch, als wollte er sagen: »So schnell wirst du mich nicht los!«
    »Scheiße!«
    Schließlich ließ Plotek es einfach sein.
    Er wäre am liebsten in seine Kabine auf Deck 5 gegangen, um die eingesauten Kleider zu wechseln. Aber Plotek hatte nur diese eine Cordhose dabei. Also war nichts mit wechseln. Er wusch die eingenässten Stellen unter ständigem Fluchen im Waschbecken aus. Dann trocknete er sie mit dem an der Wand festgeschraubten Haarfön und machte sich anschließend wieder in Richtung Bar auf. Auf dem Weg dorthin glaubte er Paula Vogler-Huth zu sehen. Sie schlich den Korridor entlang und verschwand hinter der Tür zum Vorderdeck. Jetzt hätte Plotek ihr natürlich schnell hinterhereilen können. Aber denkste! Soll sie doch, dachte er. Und so schlecht wie von der Mutter beschrieben kann es ihr ja auch nicht gehen. Aber dann folgte er ihr doch. Ganz langsam, fast schlendernd. In erster Linie gar nicht aus Neugierde, sondern wegen des absoluten Rauchverbots unter Deck, das ihn einmal mehr zwang, die frische Luft aufzusuchen. Als er das Vorderdeck betrat, war niemand zu sehen. Auch nicht Paula Vogler-Huth. Plotek steckte sich eine Zigarette an, sah zum Himmel hoch und fühlte sich plötzlich wieder so klein und nichtig. Wie ein Niemand, ein Nichts, eine immer schneller abbrennende Zigarette. Er blies den Rauch dem fadenscheinig aussehenden Mond entgegen, der auf ihn heruntersah wie das Auge im Pissoir zu ihm hoch, als es in seinem Rücken plötzlich leise knarrte. Es klang, als hätte sich jemand auf einem Liegestuhl bewegt. Es hat sich auch jemand auf einem Liegestuhl bewegt, dachte Plotek. Ihm war auch klar, wer es war. Ohne sich umzudrehen, verließ er, unter den beobachtenden Blicken des Mondes, das Vorderdeck.
    Die Bar hatte sich in der Zwischenzeit etwas geleert. Bruchmeier war offenbar nicht zurückgekommen, und Herlinde Vogler-Huth war auch weg. Swantje hingegen hing um Vinzis Hals. Beide lachten und scherzten, als wären sie die Protagonisten derselben banalen Schmierenkomödie. Was Vinzi auch ein wenig peinlich wurde, als er Plotek entdeckte. Swantje keineswegs. Sicher hatte die Zügellosigkeit auch mit beider fortgeschrittenem Alkoholkonsum zu tun.
    »Na, Ihr Freund geht aber ganz schön ran«, lallte Steffen Sailer Plotek von der Seite an. Wobei er missbilligend zu Vinzi sah. Es schien, als wollte er sich mit der bevorstehenden erneuten Niederlage nicht abfinden.
    »Ich bin ja Sportsmann, und wenn einer besser ist – okay.« Er legte kumpelhaft den Arm um Ploteks Schulter. Was dem gar nicht recht war. Er konnte auf Sailers Motivkrawatte Heidi inmitten kleiner Schafe erkennen, die ihn ansahen, als wollten sie ihn für die geräucherten Köpfe ihrer Verwandten in Trondheim verantwortlich machen. Für die geräucherten Schafsköpfe in ganz Norwegen.
    »Aber der . . .«, Sailer zeigte auf Vinzi, ». . . der spielt nicht mit fairen Mitteln.« Soll heißen: Paralympics, die Mitleidsnummer. Vielleicht meinte Sailer aber auch nur das offensichtliche Doping.
    »Sauerei!«, schimpfte er jedenfalls und machte sich davon, als wäre er um einen Sieg betrogen worden. Im selben Moment betrat Paula Vogler-Huth die Bar. Sie sah sich fahrig um, als wollte sie sichergehen, dass ihre Mutter nicht da war. Dann setzte sie sich kommentarlos zu Plotek an den Tresen.
    »Na, geht’s wieder besser?«, fragte der nach einigen Minuten, in denen beide vor sich hin geschwiegen hatten.
    »Ging noch nie schlecht!«, kam es prompt retour, wie ein Auftakt zum verbalen Schlagabtausch.
    »Aber Ihre Mutter . . .«
    »Meine Mutter!«, ging Paula dazwischen. Es klang wie: »Meine Eierstockentzündung!« Sie blickte Plotek an. Tief, durchdringend, als ob nicht nur sie ihn durchschauen würde. Als ob auch er sie verstehen müsste. Was Plotek ein wenig verunsicherte. Er nahm einen Schluck aus seinem Bierglas, rülpste lautlos und spürte noch immer die feuchte Stelle an seiner Hose zwischen den Beinen.
    »Und gefällt Ihnen die Reise?«
    »Genauso wenig wie Ihnen.«
    Plotek lachte. Er dachte: Die Dicke ist zu so später Stunde ja noch ziemlich in Hochform.
    »Das ist meistens so, wenn man etwas gezwungenermaßen

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