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Ahoi Polaroid

Ahoi Polaroid

Titel: Ahoi Polaroid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sobo Swobodnik
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ziemlich großes!«
    Plotek stand auf und ging.
    »He, Plotek! Warte doch mal!«, rief Vinzi ihm hinterher, die Schweigestrategie über den Haufen werfend.
    Aber Plotek wartete nicht. Wenn er etwas zu sagen hat, dachte er, dann wird er schon wissen, wo er mich findet.
    Wusste Vinzi auch. Er fand Plotek keine halbe Stunde später in Babettes Cafe auf Deck 7. Beim Frühstück. Plotek saß in einem Korbsessel und trank Kaffee. Er sah nicht vom Tisch auf, als Vinzi mit seinem Rollstuhl und einem Tablett auf den Knien neben ihm anhielt.
    »Tut mit leid.« Vinzi stellte seine Tasse auf den Tisch.
    Noch immer keine Reaktion von Plotek.
    »Vor einem Jahr kam ein Brief von Charlotte«, begann Vinzi leise zu erzählen. Fast beschwörend. Mehr an sich selbst als an Plotek gerichtet. »Sie wollte mich anschnorren. Brauchte Geld. Aber nicht einfach mal 200 Euro oder so.« Er machte eine Pause und drehte die Tasse auf dem Unterteller hin und her, so dass es ein seltsam schabendes Geräusch machte. »Nee, 10 000 wollte sie haben. Dringend. Sie bräuchte es für eine Operation in Übersee, Amerika oder so, schrieb sie.« Er lachte bitter. »Ich hab das natürlich nicht geglaubt.« Wieder entstand eine Pause. In der Plotek einen Schluck von seinem mittlerweile lauwarmen Kaffee nahm und dann weiter unbeeindruckt vor sich hinstarrte.
    »Ich weiß, was du denkst. Aber nein. Nein, nein, es war keine Erpressung.« Vinzi unterstrich diese Aussage mit einem Kopfschütteln. »Das war ein Bittbrief. Ein Bettelbrief. Ich habe nicht darauf reagiert. Wie hätte ich auch? 10000 Euro. Ich hätte ihr nicht mal 1000 geben können. So abgebrannt wie ich war.«
    Er schwieg wieder. Plotek schwieg auch, dachte aber: Das klingt ja alles ganz interessant. Nur: Was hat das mit den Vorgängen auf diesem Schiff zu tun. Mit Augustin, Kuhlbrodt, mit den Morden?
    Als ob Vinzi Ploteks Fragen in dessen Gesicht ablesen könnte, sagte er schließlich noch leiser, fast tonlos: »Charlotte hat für das MfS gearbeitet.« Er räusperte sich. Als wollten die Worte jetzt nur noch unter Zwang seinen Mund verlassen. »Ministerium für Staatssicherheit.« Wieder Räuspern. »Sie hat mich angeworben. 1981 in West-Berlin. Ich habe eingewilligt.«
    Jetzt sah Plotek seinen Reisegefährten verblüfft an. Zunächst hielt Vinzi dem Blick stand. »Aus ideologischen Gründen.« Dann ließ er die Augen doch sinken. »Natürlich gab es auch ein wenig Kohle dafür. Ich hatte damals noch beide Beine, war notorisch pleite und in der Friedensbewegung aktiv. Also fügte es sich ganz gut. Ich sollte bei den Friedensbewegten ein wenig die Ohren offen halten. Tendenzen, geplante Vorhaben, wie die Atmosphäre da so war und alles. Die Aufrüstung war ja voll im Gange. Da wollte man bei der Stasi, beim Feind im Osten, eben wissen, wie die westdeutschen Friedensbewegten und Atomkraftgegner so tickten. Mutlangen stand an und so weiter. «
    »Und weiter?« Ploteks Fragen schienen längst noch nicht beantwortet.
    »Bis Mitte der achtziger Jahre habe ich dann immer wieder mal Berichte geschrieben. Eher so Allgemeines. Was zum Beispiel in den Camps der Rüstungsgegner in Mutlangen bei den Protesten zur Pershing-II – und Cruise-Missile-Stationierung so gedacht wurde. Damals waren ja Heinrich Böll, Hans-Eberhard Richter, Walter Jens, also die ganze westdeutsche Intelligenz vor Ort. Und ich immer ganz Ohr. Hat die Stasi auch interessiert. Ich war ja nicht der Einzige. Tausende spionierten damals im Westen für den Osten. Tausende! Bekannt sind ja nur die Spitzen. Günter Guillaume, klar. Kennt jeder. Aber die drunter? Vom Briefträger bis zur Krankenschwester, vom Uniprofessor bis zum Polizisten, vom Schüler bis zum Fabrikarbeiter – alle unterwegs im Auftrag des MfS. Davon will ja heute niemand mehr etwas wissen. Verständlich, eigentlich.«
    »Und?« Plotek ließ nicht locker. Er fixierte Vinzi, der unentwegt seine Tasse auf dem Unterteller drehte. Das Schaben ging Plotek langsam auf die Nerven.
    »1986/87 hab ich dann die Arbeit eingestellt. Da gab es von meiner Seite aus nichts mehr zu berichten. Ich hatte mich verändert, und Politik war mir schnurz.«
    »Und Charlotte?«
    Vinzis Blick verklärte sich. »Ich habe sie seitdem nicht mehr gesehen. Irgendwie hat sie mich natürlich benutzt. Das wurde mir dann irgendwann schon klar.«
    Du Armer, dachte Plotek. Er grinste bissig. Was Vinzi natürlich sofort merkte. Die Verklärung wich. »Unsere anfängliche Liebesbeziehung hat ja auch nicht lange

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