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Ahoi Polaroid

Ahoi Polaroid

Titel: Ahoi Polaroid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sobo Swobodnik
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Exkursion auf dem Außendeck zurück in die Kabine.
    »Wolkig, nieselnd. Zum Verrücktwerden.«
    Plotek, noch immer die Hose und das Hemd in der Hand, sah ihn an, als hätte er mehr Mitleid mit sich selbst als mit Urs Eschenbach.
    »Es ist einfach zu bewölkt!« Eine nähere Erklärung. Und dann: »Lange üben Sie Ihr Hobby aber auch noch nicht aus?« Soll heißen: Mitleid zurück.
    »Was?«
    Eschenbach zeigte auf das Aquarell in Ploteks Hand. Er gähnte, zwinkerte ihm zu, wünschte einen »Guten Morgen« und verabschiedete sich.
    »Gute Nacht!« Plotek schlich in entgegengesetzter Richtung davon.
    Das Schiff wirkte wie ausgestorben. Kein Wunder um diese Uhrzeit. Plotek irrte halb angezogen eine Zeit lang auf den Fluren herum. Bis er schließlich doch noch die eigene Kabine fand. Er öffnete vorsichtig die Tür, um Vinzi nicht zu wecken. Als Erstes sah er dessen Rollstuhl, der neben dem Bett stand. Das Bett war zwar zerwühlt, aber Vinzi lag nicht darin. Plotek warf einen Blick ins Bad, aber da war er auch nicht. Komisch, dachte er, wo könnte Vinzi um diese Zeit denn sein? Da Plotek eine gemeinsame Nacht mit Swantje definitiv ausschloss, blieben nicht mehr viele Optionen übrig. Und von den wenigen schob sich eine schlimme Vermutung in den Vordergrund. Jetzt holte Plotek doch die Hektik ein, der er zuvor immer so erfolgreich aus dem Weg gegangen war. Er durchsuchte die Kabine nach einem Hinweis auf Vinzis Verschwinden. Aber nichts. Keine Spur. Keine Hinweise auf Gewaltanwendung. Keine Blutspritzer. Aber als Plotek sich frustriert und erschöpft auf dem Stuhl neben dem Schreibtisch niederließ, erkannte er auf der Rückseite einer der Postkarten etwas, das neu zu sein schien. Die Postkarten hatte Vinzi in Trondheim gekauft, aber weder beschrieben noch weggeschickt. Seither lagen sie dort. Plotek erkannte ein Wort, geschrieben in krakeliger Sauklaue, die eindeutig die von Vinzi war. Hund stand auf der Karte, flüchtig wie im Vorübergehen hingeschmiert. Was hatte das zu bedeuten? Er konnte sich nicht erinnern, das Wort dort vorher gesehen zu haben.
    »Hund?« Vielleicht ein Hinweis. Von Vinzi. Für ihn. Aber worauf? Auf sein plötzliches Verschwinden? Auf diejenigen, die dafür verantwortlich waren?
    »Hund?« Damit konnte natürlich nur der dreibeinige Hund gemeint sein. Oder besser: der jetzt zweibeinige und tot auf dem Meeresgrund liegende Hund. Womöglich längst keinbeinig, weil ihn ein gefräßiger großer Schwertwal verschlungen hatte.
    »Hund!« Vielleicht war auch das Frauchen gemeint, also Uma Thurman in Blond. Plotek strich mit dem Zeigefinger über die Frau im Liegestuhl auf dem scheußlichen Aquarell und erinnerte sich an seinen Massagetraum. Ja, mit dem Hund auf der Postkarte könnte am ehesten ein Mensch gemeint sein. Ein Hinweis auf die Entführer! Auf die Frau im
    Liegestuhl! Auf Neptun! Wie zur Bestätigung klopfte es an der Kabinentür. Plotek erschrak. Bitte keine Servierhaube, dachte er. Er ging langsam, mehr widerwillig als entschlossen, zur Tür und öffnete sie einen Spaltbreit. In Erwartung eines brutalen Schergen, der ihn durch den noch winzigen Schlitz hinaus auf den Flur ziehen würde. Aber nichts. Kein Scherge. Keine Servierhaube. Und dennoch lag da etwas vor der Tür, das Plotek sofort erkannte. Er öffnete die Tür nun doch etwas weiter. Auf dem Boden lag ein Buch. Sämtliche Dichtungen des ]ean Arthur Rimbaud. In der Taschenbuchausgabe. Vinzis Buch. Wie ein Hinweis, dass Plotek mit seiner Vermutung richtig lag. Zwischen den Seiten steckte ein kleiner leerer Zettel als Lesezeichen. Plotek schloss die Tür. Erstens froh, sich nicht einem Schergen ausgeliefert zu sehen. Und zweitens noch froher, nicht in Vinzis tote Augen blicken zu müssen. Er schlug das Buch an der markierten Stelle auf, setzte sich auf das Bett und las: Das trunkene Schiff. Eines der bekanntesten Gedichte des französischen Lyrikers. Einige Zeilen waren angestrichen:
    Die reißenden Flüsse kam ich heruntergeschossen, / da schleifte kein Schiffsknecht das Zugseil mehr;/von den roten Barbaren an Pfähle geschlossen, Hebende Scheiben für Beilwurf und Speer.
    War das ein Zufall? Hatte Vinzi diese Stelle aus irgendeinem nicht mehr nachvollziehbaren Grund markiert? Plotek schüttelte vehement den Kopf. Das war genauso wenig ein Zufall wie alles andere zuvor. Da steckte System dahinter. Ein blutiges, mörderisches System. Welches Plotek aber nicht zu durchschauen vermochte. Er hatte keine Ahnung. Stand beziehungsweise saß

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