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Ahoi Polaroid

Ahoi Polaroid

Titel: Ahoi Polaroid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sobo Swobodnik
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der Rezeption aufhängen, wo doch hier die meisten Passagiere vorbeikommen, damit ...« Er reichte dem Steward Herlinde Vogler-Huths Zeichnung von Charlotte Liebermann über den Tresen. Der Steward sah das Bild irritiert an. Aber auch kurz erstaunt. Als würde er die Frau auf dem Bild erkennen. Was sich vor allem auf seiner Stirn niederschlug, mit tiefen horizontalen Falten. Womöglich war das aber auch der Ausdruck seines Zweifels gegenüber Ploteks Vorhaben.
    »Und Sie meinen wirklich, hierauf könnte sich jemand melden?«, sagte er. Ohne auf die krude Angabe am unteren Rand des Bildes einzugehen: Panoramadeck 8, 1:00 Uhr. Offenbar störte er sich daran weniger. Dachte möglicherweise, dass Panoramadeck 8, 1:00 Uhr nur bedeuten konnte, dass Plotek vermutete, das Amulett genau dort um 1 Uhr verloren zu haben.
    »Ja.« Plotek nickte so überzeugt mit dem Kopf, dass das Nicken sogar in den Oberkörper überging. Was den Steward aber nicht weiter beeindruckte. Er zuckte mit den Schultern und legte das Bild in eine der Ablagen. Dann lächelte er Plotek an. Wie wenn man fragt: »Noch was?«
    »Danke«, sagte Plotek. Natürlich erwartete er nicht, dass das Bild tatsächlich an der Rezeption aufgehängt werden würde. Diese Aktion war für ihn aber der effektivste Weg, den Besitzern des Amuletts, Neptun samt seiner mörderischen Crew, eine Botschaft mitzuteilen, nämlich die eines Treffens um 1 Uhr auf dem Panoramadeck 8. Was Plotek unternehmen wollte, wenn der Meeresgott tatsächlich dort auftauchen sollte, wusste er jetzt noch nicht. Aber bis dahin hatte er ja noch fast zwanzig Stunden Zeit. Zeit, um sich etwas einfallen zu lassen. Etwas Überzeugendes. Es war keinesfalls anzunehmen, dass Neptun sich nur zu einem verspäteten Kaffeekränzchen mit ihm treffen würde. Wer Augen herausschneidet, dem darf auch, ohne einem hässlichen Vorurteil aufzusitzen, ein allgemeines überdurchschnittliches Aggressionspotential unterstellt werden. Obwohl man sich da manchmal gewaltig täuscht. Da hört dann ein Massenmörder privat Schubertlieder und ist gläubiger als der Papst. Oder ein brutaler Folterer geht in seiner Freizeit der Rosenzucht nach und übt sich leidenschaftlich gern in Yoga. Der Mensch ist ein einziger undurchschaubarer Abgrund. Ein Loch. Ein tiefes schwarzes oft hässliches Loch. In das alles hineingeht und als etwas anderes herauskommt. Transformation, Transduktion und das alles. Etwa ein mordender Meeresgott!
    Plotek drehte sich im Weggehen noch einmal zum Steward um. »Verzeihen Sie, wo ist denn heute Ihr Kollege?«
    »Krank.«
    »Krank?« Der Steward nickte, und Plotek ahnte, dass es eine Lüge war.
    Kurz vor zwölf am Mittag erreichte die MS Finnmarken den Hafen von Honningsvag. Und Überraschung: Herlinde Vogler-Huth weilte wieder unter den Lebenden. Bestens gelaunt. Sie strahlte über das ganze Gesicht, als wäre die letzte Nacht eine neurohormonale Offenbarung gewesen. Plotek versuchte bei jedem Schritt, ihr aus dem Weg zu gehen. Was zunächst einmal gelang. Von Vinzi allerdings fehlte nach wie vor jede Spur. Swantje Schmitz wollte beim Frühstück in Babettes Cafe von Plotek wissen, wo denn sein »kleiner Freund« wäre.
    »Verschwunden«, sagte Plotek nüchtern, so wie man sagt: »Auf dem Klo.«
    »Was?«
    Er nickte, als ginge ihn das überhaupt nichts an. »Wie vom Erdboden verschluckt.«
    »Aber das kann doch nicht sein, wie kann man denn einfach so ...« Einfach so natürlich nicht, dachte Plotek. Wenn aber der allmächtige und legitime Rächer aller Stasi-Opfer auf einen angesetzt ist, verliert man schon mal die Augen. Und verschwindet kurzzeitig. Bis man dann wieder am Ufer des Arktischen Ozeans in völlig verändertem Zustand auftaucht. So dachte er. Sagen hingegen tat er nichts außer: »Hmm«. Was bei Swantje aber eine enorme Reaktion zur Folge hatte.
    »Scheiße!«, brüllte sie. Sie schlug mit der Hand auf den Tisch, dass das Geschirr schepperte. Swantje schien betroffener, sogar besorgter zu sein als erwartet.
    »Vielleicht in Tromsø ausgestiegen«, log Plotek, um wenigstens Swantje ein wenig zu beruhigen.
    »Quatsch!« Nichts mit Beruhigung. »Ich habe ihn doch gestern Abend noch gesehen.« Dann ein böser Blick zu Plotek. »Während Sie sich vergnügt haben!« Ein Vorwurf mit Schwindsucht, dachte Plotek. Erstens ist das kein Vergnügen gewesen. Zumindest keines, an das er sich erinnern konnte. Und zweitens hat diese blöde Kuh Herlinde offenbar nichts Besseres zu tun, als dieses neurohormonale

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