Aibon - Land der Druiden
Freund Mandra Korab, der sicherlich in dieser gewaltigen Weite verschleppt worden war.
Eine Überraschung jagte die nächste. Kaum war dieses elfenartige Wesen entschwebt und sein Gesang verklungen, vernahm ich eine andere Musik. Ein Flötenspiel.
Schon bei den ersten Lauten zuckte ich zusammen, denn das Spiel war mir beileibe nicht unbekannt. Ich dachte an die Person, die so professionell auf diesem Instrument spielte, stellte sie mir vor und gleichzeitig auch eine Landstraße in Irland, über die Suko und ich schon gefahren waren, wobei uns der Flötenspieler zum erstenmal begegnet war. Welch geheimnisvolle Rolle er in Aibon spielte, wusste ich nicht. Jedenfalls gehörte er zu diesem Land, und ich hatte mir sein Spiel auch nicht eingebildet, denn er trat aus dem Unterholz, als wäre dies gar nicht vorhanden.
In voller Größe sah ich ihn und sprach flüsternd seinen Namen aus. »Der rote Ryan.«
***
Jedes Ding hat zwei Seiten!
So erzählte das Sprichwort. Dass dies stimmte, das bekam auch Mandra Korab deutlich zu spüren, denn er lernte die andere Seite des Landes Aibon kennen. Die grausame, die schreckliche…
Wo man Mandra hingeschafft hatte, herrschte der Schrecken. Keine grüne weite Welt, sondern eine vegetationslose Gegend, in der aufgerissener, spaltenreicher Felsboden von karstigen Höhenzügen eingeschlossen worden war, deren Oberfläche schimmerte, als wären rotbraune Erzstücke hineingeschlagen worden.
Wasser entdeckte der Inder nicht. Die sonst so grüne Insel war völlig vegetationslos. Nicht ein Grashalm wuchs auf den flachen Hängen oder in den Spalten des Felsbodens. Alles blieb monoton. Man konnte glauben, in einem völlig leeren und sterbenden Land zu leben. Der Wind, der aus wechselnden Richtungen über die Einöde fuhr, war warm. Manchmal brachte er einen ätzenden Gestank mit, als würde er direkt aus der Hölle stammen.
Mandra Korab lag auf dem Rücken. Er erinnerte sich noch genau an die Reise durch die Dimensionen, die ihn als Kranken mitgenommen hatte. So hatte es eine Weile gedauert, bis es ihm gelungen war, sich wieder zurechtzufinden.
Die Welt kannte er nicht. Er wusste nur, dass er in Aibon verschollen war. Ebenso wie seine letzten beiden Dolche. Und die Lethargie war ebenfalls nicht aus seinem Körper verschwunden. Sie krallte sich in seinem Innern fest und ließ es höchstens zu, dass er sich kriechend bewegte. Und auch dies kostete Energie. Mandra reagierte deshalb vernünftig. Er blieb auf dem harten und manchmal kantigen Boden liegen, ohne sich zu rühren. Außerdem drohte ihm momentan keine Gefahr.
Da er sich auf dem Rücken niedergelassen hatte, gelang es ihm, einen Blick gegen den Himmel zu werfen. Ob es Wolken waren, die sich dort auftürmten, konnte er nicht sagen. Jedenfalls besaß das Firmament fast die gleiche Farbe wie das Land, und es wirkte ebenso tot. Der Inder dachte darüber nach, was seine Feinde mit ihm vorhaben könnten. Alles, was in naher Zukunft auch geschehen würde, es lief auf eines hinaus.
Auf seinen Tod!
Zuvor jedoch würde er Schlimmes zu erleiden haben. Dämonische Folter, möglicherweise auch die Rache der Dolche, die in Aibon verschwunden waren.
Mandra konnte sich gut vorstellen, dass auch die letzten beiden Dolche nicht mehr ihm gehorchten und sich an die Gesetze des Landes Aibon hielten. Spürte er Furcht? Der Inder musste erst darüber nachdenken und kam zu dem Ergebnis, dass dem nicht so war. Vor seiner Reise, als das Siechtum ihn überkam, da hatte er Angst empfunden. Nun nicht mehr. Es war ihm gelungen, sich an seinen Zustand zu gewöhnen, und die Empfindungen des Inders konzentrierten sich mehr auf die Neugierde. Wenn nur die verfluchte Lähmung nicht gewesen wäre. Es gelang Mandra einfach nicht, sie abzuschütteln. Dabei konnte er es nicht einmal als Lähmung bezeichnen. Es gelang ihm ja, sich zu bewegen, nur war diese Langsamkeit deprimierend. Er fühlte sich wie eine Schnecke, die auch dann nur langsam vom Fleck kommt, wenn sie sich sehr anstrengt.
Aibon war feindlich! Zwar hatte Mandra Korab anderes vernommen, doch wenn er sich umschaute und diese Landschaft entdeckte, war von einer grünen Aue nichts zu erkennen.
Auch Aibon besaß seine Schrecken.
Mandra hatte Durst. Die Zunge war aufgequollen. Sie klebte im Gaumen. Wenn er den Mund bewegte, hatte er das Gefühl, alles würde geknetet. Auch gefiel ihm die Luft nicht. Sie schmeckte scharf, nach Metall, und manchmal sah er auch feine Staubschleier über die Hänge kriechen.
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