Aibon - Land der Druiden
breitete die Arme aus und hob sie auch an. Fehlte nur noch, dass er anfing zu tanzen. »Was willst du bei uns?« fragte er.
»Ich wollte nicht viel. Man verschleppte mich hierher.«
Erstaunt schaute er mich an, wobei ich nicht wusste, ob er schauspielerte. »Und wer tat es?«
»Freunde von mir.«
»Sag mir ihre Namen!«
Ich hatte keinen Grund, davon Abstand zu nehmen, sprach von Myxin und dem Eisernen Engel, aber der rote Ryan hob nur die Schultern. »Sie hören sich geheimnisvoll an, aber ich habe sie noch nicht gesehen. Tut mir ehrlich leid.«
»Das braucht es dir nicht. Sicherlich gibt es in Aibon viele Kräfte, von denen du nichts weißt.«
Der rote Ryan nickte. »Das ist möglich.«
Nach diesen Worten schaute er mich prüfend an. Seine Blicke wanderten an meiner Gestalt entlang nach unten, als wollte er jeden Zentimeter meines Körpers sehr genau prüfen. Mich drängte die Zeit. Ich war von meinen Freunden weggetrieben worden, wahrscheinlich befanden sich der Eiserne und Myxin in irgendeinem verlorenen Teil dieses Riesenlandes, und ich stand hier herum, ohne dass etwas passierte.
»Fertig?«
Ryan lächelte. Diese Mimik gab seinem Gesicht etwas Spitzbübisches und machte mir den Mann irgendwie symphatisch. »Ich musste dich anschauen. Du heißt Sinclair, nicht?«
»Ja, John Sinclair.«
»Gut, John. Weshalb setzen wir uns nicht?« Er deutete zum Rand der Lichtung. »Dort?«
»Ja, es ist mein Lieblingsplatz.«
»Ich habe nicht viel Zeit.«
Er war schon vorgegangen, blieb stehen und hob den Arm. »Zeit muss man sich hier nehmen als Mensch. Für Aibon selbst ist sie bedeutungslos geworden. Ob hier Stunden, Tage oder nur Sekunden vergehen, das spielt für uns keine Rolle. Nur die Menschen sind so. Komm mit mir. Dort gibt es einen Stamm, auf dem wir Platz nehmen können.«
Ich hob die Schultern. Etwas anderes blieb auch nicht übrig. Ich war fremd in Aibon und kannte nurmehr Miriam di Carlo, aber sie ließ sich nicht blicken.
Die gesamte Zeit über hatten mich die seltsamen, kleinen Gestalten nicht aus den Augen gelassen. Ihre Blicke waren nicht feindlich, auch nicht freundlich, man konnte sie mit dem Wort neutral bezeichnen. Darüber war ich schon froh, und auch über den Sinneswandel des roten Ryan. Wenigstens hatte er nicht versucht, mich anzugreifen. Im Gegenteil, soviel Freundlichkeit machte mich misstrauisch. Er hatte sich bereits auf dem querliegenden Baumstamm gesetzt, als ich ihn erreichte. Lächelnd klopfte er auf die Rinde neben sich. »Nimm doch endlich Platz, John!«
Ich ließ mich nieder. Dabei drehte ich den Kopf und schielte auch in die Höhe. Über mir lagen noch immer die Frauengestalten auf den Ästen und Zweigen. Manche von ihnen hatten Lagen eingenommen, die mich an träge Katzen erinnerten, wenn sie sich den Strahlen einer warmen Sonne hingaben. Sie beobachteten nur und hatten die Augen zu schmalen Schlitzen verengt. Die größeren von ihnen trugen die Haare lang. Manche reichten bis zu den Hüften. Kleidungsstücke waren bei ihnen verpönt. Diese Wesen präsentierten sich mir völlig bloß. Dennoch hatte diese Tatsache nichts Aufreizendes an sich. Diese Posen strahlten eine gewisse Natürlichkeit ab, die auch mich beeindruckte. Der Wald um uns herum schien voll von diesen Wesen zu sein. Wobei ich mir noch immer nicht darüber im klaren war, um was es sich bei ihnen genau handelte. Ich saß neben Ryan. Der schaute lächelnd auf seine Schuhspitzen. Auch die Schuhe schimmerten grün. An manchen Stellen glänzten sie abgewetzt, jedenfalls bestanden sie aus einem weichen Leder.
»Und du willst mich nicht töten?« fragte ich und überraschte ihn mit dieser Frage.
»Weshalb sollte ich?«
»Einmal hast du es versucht. Du erinnerst dich?«
Er nickte. »Ja, es liegt noch nicht lange zurück. Da griffen Kräfte nach uns, die ich nicht überblicken konnte. Ich fühlte mich schuldig an den Vorgängen und griff dann ein. Ich kannte euch auch nicht, da ich dachte, dass ihr zu den anderen gehören würdet.«
»Das hätte uns fast das Leben gekostet.«
»Musst du damit nicht immer rechnen?«
»Schon, aber ich will das Risiko so klein wie möglich halten, wenn du verstehst.«
»Das ja…«
»Dann wären wir uns einig.«
Er stimmte mir lächelnd und nickend zu. »Sicherlich hast du Fragen, John. Stelle sie.«
»Natürlich. Aber kann ich sie mir zeitlich erlauben?«
Der rote Ryan schüttelte den Kopf. »Du musst die Zeit vergessen. Es gibt sie bei uns nicht.« Er hob die Schultern und
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