Aibon-Teufel
Laut, der mir durch Mark und Bein schnitt. Eine Mischung zwischen Keuchen, Grunzen und Röhren, und ich glaubte nicht daran, dass ein Wildschwein in der Lage war, solche Laute zu produzieren.
Ich verhielt mich so still wie möglich. Selbst den Atem hielt ich an, nur meine Augen bewegten sich. Ich hatte nicht genau feststellen können, von welcher Seite das Geräusch gekommen war, und wartete jetzt darauf, dass es sich wiederholte. Dabei tat ich noch etwas anderes. Ich legte mich zurück in die Astgabel und spielte den Toten.
Man hatte den Aibon-Teufel um seine Beute betrogen. Er war hungrig, er streifte umher, und so konnte es sein, dass er in mir Ersatz für die Leiche sah.
Wieder hörte ich ihn.
Diesmal war es ein scharfes Fauchen, und es war ganz in der Nähe aufgeklungen. Zum Glück lag ich so hoch, dass ich etwas sehen konnte, wenn ich meinen Kopf etwas drehte und nach unten schaute, und ich musste mich schon sehr zusammenreißen, um nicht zusammenzuzucken, denn ich hatte richtig getippt.
Es war da!
Noch sah ich das Monster nicht sehr deutlich, weil es sich im Unterholz geduckt hatte.
Das Wesen war braun, vielleicht von einem violetten Farbton durchdrungen. In einer Lücke des blattlosen Gebüschs bewegte sich der Kopf, und trotz des schummrigen Lichts sah ich dieses widerliche Antlitz, auf dem ein schwacher Glanz lag, als wäre Leder eingeölt worden.
Das Monster war vorsichtig. Es wartete und lauerte zugleich. Aber auch ich wartete. Ich hatte meine Beretta gezogen, hielt sie jedoch nicht offen in der Hand, sondern hatte sie in meine rechte Seitentasche gesteckt. Wenn es sein musste, würde ich sie rechtzeitig hervorholen.
Das Kreuz »meldete« sich nicht. Zu Aibon hatte es ein zwiespältiges Verhältnis. Wenn es auf diese Welt reagierte, nahm es auch die Farbe des Druidenparadieses an. Ich hatte es dann schon mehrmals grün aufschimmern sehen.
Noch verhielt sich der Aibon-Teufel ruhig. Kein Fauchen mehr, kein Kratzen auf dem Boden. Ich wünschte mir, dass endlich etwas passierte, denn allmählich nahm die Kälte wieder von mir Besitz.
Es kam!
Mit einer schnellen Bewegung hatte es sich aufgerichtet, und zum ersten Mal traf es mein freier Blick.
Einen von dichten Haaren bedeckten Körper sah ich. Zwei lange Arme wie bei einem Gorilla wuchsen aus den Schultergelenken hervor. Hände, die nichts mit menschlichen Gliedmaßen zu tun hatten und zu Krallen geworden waren, schlugen um sich. Schnee wurde in die Höhe gewirbelt und nahm mir für einige Sekunden die Sicht.
Der Aibon-Teufel kam auf mich zu. Er ging nicht normal. Es war ein stetiges Hopsen, aber auch ein Gleiten, sodass mir wieder der Vergleich mit dem Gorilla in den Sinn kam.
Mich aufrichten, die Waffe ziehen und anlegen war eine einzige Bewegung. Das Wesen mit dem schrecklichen Gesicht war jetzt so nahe an mich herangekommen, dass ich es nicht mehr verfehlen konnte. Ich hoffte stark, dass es von einer Silberkugel gestoppt werden konnte.
Aus dem Schneewirbel flog etwas hervor. Es traf mich in dem Moment, als ich mich aufrichtete. Ein harter Gegenstand erwischte mein Gesicht. Ein Aststück, was auch immer, und ich kam nicht mehr zum Schuss. Ich merkte nur, dass ich zur Seite wegrutschte, und da die verdammten Äste glatt waren, verlor ich den Halt und landete Sekunden später auf Schnee und altem Laub...
Carlotta ließ sich dicht vor Maxine Wells zu Boden sinken und nickte ihr zu.
»Alles klar, Kind?«
Die Flügel falteten sich am Rücken zusammen. »Ja, bei mir schon.«
»Ach, und was ist mit John?«
»Er will noch etwas im Wald bleiben.«
Die Tierärztin trat einen kleinen Schritt zur Seite und runzelte die Stirn.
»Moment mal«, sagte sie, »was soll das denn heißen? Ist es im Wald so interessant für ihn?«
»Ich kann es dir nicht sagen. Für ihn wohl.«
Das gefiel Maxine nicht. »Und was macht er dort? Was hat er vor? Wartet er auf das Monster?«
Carlotta nickte. »Ja, ich habe das Gefühl, dass das wirklich so ist. Auf das Monster warten. Er hat sich ja in die Astgabel gelegt, aus der ich die Tote geholt habe, und...«
»Rede nicht weiter, Carlotta, ich kenne ihn. John ist ein Verrückter.« Maxine schüttelte den Kopf. »Das heißt also, dass er dieses verdammte Untier anlocken will.«
»Könnte hinkommen.«
»Ich hatte es mir gedacht«, sagte Maxine Wells und stöhnte. »Er ist einfach nicht zu belehren.«
»Naja, so kannst du das nicht sehen, Max.«
»Nein? Wieso nicht?«
»John ist ja nicht tot. Das war aber die
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