Aibon-Teufel
Frau. Er kann sich wehren, sie nicht.«
»Das ist auch meine Hoffnung.«
»Ich kann ja mal nachschauen.«
»Nein, nein, bleib lieber hier. Wenn ihn jemand stört, kann er sauer werden.«
»Wie du willst.«
Carlotta und Maxine standen neben dem Geländewagen. Beide schauten auf den Waldrand, aber es gab nicht genügend Lücken, um tiefer in das Stück Natur hineinschauen zu können. Das normal helle Tageslicht nahm innerhalb des Waldes schon eine graue Farbe an, die dafür sorgte, dass vieles verschwamm.
Unter dem grauen Himmel bewegten sich hin und wieder schwarze Vögel. Sie waren auf der Suche nach Nahrung, die sie im Wald hätten finden können. Den aber mieden sie irgendwie. Zumindest flogen sie nicht dorthin, wo sich der hohe Baum befand.
Die Tiere schienen zu spüren, dass dort etwas nicht stimmte. Das registrierten auch die beiden Wartenden.
»Hat John dir eine Zeit gesagt?«
Carlotta schüttelte den Kopf. »Nein, das hat er nicht. Er wartet, das ist alles.«
»Und es ist kalt.«
»Das wird er schon merken.«
»Sicher.«
Maxine wollte nicht mehr auf der Stelle stehen bleiben, deshalb ging sie auf und ab. Es waren keine positiven Gedanken, die durch ihren Kopf strömten. Je mehr Zeit verstrich, umso nervöser wurde sie. Als Vorteil sah sie die Stille an, die sich um sie herum ausbreitete. Alles war so anders geworden, obwohl sich nichts verändert hatte. Aber das lag an ihr und nicht an John Sinclair.
Bis sie zusammenzuckte und sich umdrehte.
Auch Carlotta stand regungslos und wie zum Sprung bereit. Sie hatte das Geräusch ebenfalls vernommen, und keiner von ihnen konnte behaupten, sich darüber zu freuen.
Ein Mensch hatte es nicht ausgestoßen, das stand fest. Bevor die Tierärztin jedoch eine Frage stellen konnte, kam ihr das Vogelmädchen zuvor. Es deutete auf den Waldrand.
»Ich kenne das Knurren und...«
»Dann ist der Aibon-Teufel da?«
»Ja, ich denke schon.«
»Verdammt. Und John ist...«
»Soll ich?«
In Maxine’s Gesicht zuckten die Augendeckel. »Wie?«
»Starten?«
»Ja, Kind, los. Sieh zu, dass du John helfen kannst. Wenn du es geschafft hast, bring ihn her.«
Die letzten Worte hörte das Vogelmädchen nicht mehr. Da befand es sich bereits in der Luft...
***
Ich war aus meinem »Bett« gefallen und weich gelandet. Der Schnee und das darunter liegende Laub hatten dafür gesorgt. Das war auch alles gewesen, denn den Aibon-Teufel hatte ich nicht vertreiben können. Er war da, er hatte mich nur noch nicht gepackt, und mir gelang es in dieser Phase der Überraschung auch nicht, meine Beretta zu ziehen, um eine geweihte Silberkugel abzufeuern.
In meiner näheren Umgebung tobte das Untier.
Knackende Geräusche erreichten meine Ohren, und wenig später flog mir ein hartes Holzstück gegen den Kopf.
Automatisch schnappte ich zu und ließ den Ast nicht mehr los. Über mir erschien ein Schatten, umgeben von Schneeresten und Blättern. Ich hatte noch Zeit, mir das Gesicht näher anzuschauen, und sah das breite, offene Maul mit den gelblichen Zähnen.
Nein, das war kein Gesicht mehr. Man musste es als lederartige Fratze ansehen, in der die Nase hochgezogen war und die Augen wie kalte geschliffene Steine blinkten.
So ein Monster kannte nur eins: töten!
Ob es mich zerbeißen oder zerreißen wollte, wusste ich nicht. Aber ich konnte mich wehren. Hart rammte ich den Ast in die Höhe und erwischte die verdammte Fratze.
Das Astende glitt schräg in den Rachen hinein. Da sich der Mund schloss, blieb es stecken. Ich ließ den Ast los, stieß mit den Fäusten nach und traf die mit Fell bedeckte Brust des Aibon-Teufels. Er wurde von der Wucht des Aufpralls nach hinten geschleudert.
Ich hatte freie Bahn. Die Kälte war zum Glück nicht so stark gewesen. Ich konnte mich normal bewegen, kam wieder auf die Beine, rutschte dabei leicht zur Seite und schaffte es, mich wieder zu fangen.
Die Beretta steckte noch immer in der rechten Seitentasche. Ich schnappte mir die Pistole, aber ich kam nicht mehr dazu, sie auf ein Ziel zu richten, weil das Wesen schneller war.
Hätte es die Bäume nicht gegeben, okay, aber so fand es rasch Deckung und den Schutz, den es brauchte. Der Aibon-Teufel floh tiefer in den Wald hinein.
Ich dachte nicht an Aufgabe und machte mich an die Verfolgung. Mit langen Schritten lief ich hinter der Kreatur her. Doch schon bald musste ich einsehen, dass der Aibon-Teufel wesentlich wendiger war als ich. Er nutzte geschickt die Lücken im Unterholz, um meinen Blicken immer
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