Aina - Herzorgasmus
inbrünstig, wie er konnte, »stinkwütend darüber sein wird, den Mist wegkehren zu müssen, den du verbockt hast?«
Peter schluckte. Angor und sein Bruder Rece kümmerten sich normalerweise nicht um solch niedrige Belange. Dafür waren ihre Untertanen da. Er und Sergej und all die anderen. Doch jetzt war Rece gezwungen sich die Sache persönlich anzusehen und sie wenn nötig zu klären. Und daran war nur er Schuld. Er musste wirklich stinkwütend sein. Vermutlich würde er ihm einen Besuch abstatten, wenn er hier auftauchte, nur um ihn zu Staub zerfallen zu lassen. Und etwas Anderes hatte er wahrscheinlich auch nicht verdient. Wie hatte er nur so überheblich sein und sie auf sich einschlagen lassen können? Er hatte sie unterschätzt. So, wie jeder andere sie auch unterschätzt hätte, wenn er vor ihr gestanden und sich ihre Schreie angehört hätte. Er hatte über sie gelacht. Sie nicht ernst genommen. Sie war so eine kleine, zierliche Menschenfrau. Zerbrechlich und schwach. Wie hatte er damit rechnen können, dass sie ausholt und ihm ihre zwischen ihre Finger geklemmten Schlüssel in den Hals rammt? Wer rechnete denn mit so etwas? Menschen waren in seiner Gegenwart normalerweise starr vor Angst. Aber Aina,… er seufzte brummend, wenn sie noch ein wenig fester zugeschlagen hätte, hätte sie ihn mit diesem Angriff tatsächlich vernichtet. Einfach so. Ohne, dass sie gewusst hätte, was sie da überhaupt tat.
»Geh mir endlich aus den Augen und hilf den anderen sein Schloss herzurichten«, befahl ihm Sergej jetzt. »Und wehe es hängt auch nur ein Bild schief!«
Peter tat wie ihm geheißen und machte sich sofort auf den Weg.
»Und beeilt euch gefälligst! Es muss fertig sein, bevor hier dasChaos ausbricht!«, rief Sergej ihm hinterher, doch er war schon verschwunden. »Zu nichts nutze«, fluchte er und wandte sich wieder seinen Papieren zu. Er hatte noch viel zu tun und musste alles organisieren, bevor er hier eintraf. Denn, sobald er die Stadt erreichte, würden die Menschen in Panik geraten und der Verkehr würde vollkommen zusammenbrechen. Das war völlig natürlich und normal. Schließlich war er nicht irgendwer. Er war der Ursprung ihrer aller Existenz. Sie waren nur kleine, unbedeutende Marionetten in seinem Spiel. Schöpfungen, die er in die Welt hinaus schickte, um seine Arbeit zu verrichten und sein die Welt kontrollierendes System aufrechtzuerhalten. Sie sorgten dafür, dass er auf dieser Welt das bekam, was er brauchte. Das, woraus er bestand. Sie erschufen Dunkelheit auf dieser Welt, Schmerz und Leid. Denn das war seine Nahrung. Das Lebenselixier des Leibhaftigen. Er war die Finsternis. Sie waren nur seine Schatten.
Er konnte immer noch nicht glauben, dass er auf dem Weg hierher war. Dass er sich zu so etwas überhaupt herab ließ. Sie mussten ein besonderes Interesse an dieser Aina haben, dachte er. Nachdem er die Nachricht über ihre Attacke weitergeleitet hatte, hatte es nicht einmal eine Stunde gedauert, bis er den Auftrag erhalten hatte einen Wohnsitz für Rece zu finden und herzurichten. Ausgerechnet er! Er wusste nicht, ob er sich geehrt fühlen sollte oder bedroht. Angor und sein Bruder Rece waren sehr gründlich. Sie hinterließen niemals Spuren ihrer Existenz. Es war ungewöhnlich, dass sich einer von ihnen in eine Stadt voller Menschen vorwagte. Sie erregten einfach zu viel Aufsehen. Die Stadt würde völlig ins Chaos stürzen, wenn er hier eintraf. Und was, wenn ihn jemand zu Gesicht bekam? Die Menschen würden sterben wie die Fliegen, allein weil er in ihrer Nähe weilte. Er musste bereits jetzt darüber nachdenken, wie er dieses Phänomen vertuschen sollte. Und was war mit ihm undseinesgleichen? Würde er sie alle vernichten, wenn er wieder abreiste, um seine Spuren zu verwischen? Um zu verhindern, dass je einer von ihnen seine Schweigepflicht brach und ausplauderte, dass Recedere, ihr Schöpfer, eine gewöhnliche Stadt bereiste. Wegen einer Menschenfrau! Das war skandalös. Geradezu absurd! Doch wer war er, die Taten seines Schöpfers in Frage zu stellen? Er war nur ein kleiner Schatten. Und wenn er nach dieser bedeutenden, ehrenvollen Aufgabe, die ihm anvertraut worden war, vernichtet werden würde, war das nun mal sein Schicksal. Und er würde es mit Stolz tragen.
4
Ankunft
Aina stand schon seit zehn Minuten in der Küche und starrte ihre Tasse an. Der Lärm hinter ihr konnte sie nicht aus den Gedanken reißen. Er war wie ein Nebengeräusch ihres Gehirns, das versuchte sich
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