Aina - Herzorgasmus
»Bring mir den Artikel trotzdem in mein Büro. Ich will sehen, ob er was taugt.«
»Ich habe keinen geschrieben«, sagte Aina kühl.
Jetzt blieb er stehen und ihr war, als sei gerade jeder in diesem Raum zusammengezuckt.
»Wie bitte?«
Jetzt schnappte sich Aina ihre Handtasche und ihre Jacke, ging auf ihn zu und sagte mit einem Selbstbewusstsein, das sie nicht kannte: »Ich habe es satt! Ich bin nicht Journalistin geworden, um mein Leben lang über eine Stadt zu schreiben, von der ich jeden dreckigen Winkel bereits auswendig kenne. Schieben Sie sich ihre Stadtportraits sonst wo hin! Ich kündige!« Mit diesen Worten drehte sie sich schwungvoll um und schritt hinaus.
Der Schrecken durchfuhr sie erst, als sie vor dem Gebäude stand und ihr der kalte Wind um die Nase blies. Sie hielt sich fassungslos die Hand an den Kopf und atmete tief ein. Was zum Teufel hatte sie da gerade geritten? War sie noch ganz bei Trost? Sie brauchte diesen Job! Wie sollte sie ihre Miete bezahlen? Völlig erschrocken über sich selbst und sichtlich verwirrt ging sie die Straße hinauf. Sie musste sich etwas einfallen lassen. Vielleicht konnte sie sich noch entschuldigen. Bei diesem Gedanken sträubte sich jedoch jede Körperzelle in ihr.
Plötzlich klingelte ihr Handy. Es war Andi. Vermutlich hatte Silke ihn angerufen, um ihm alles brühwarm zu berichten. Sie war schon lange verliebt in ihn und nutzte jede Gelegenheit aus, um ihm nahe zu sein, seine Stimme zu hören oder Aina eins auszuwischen. Schließlich wusste jeder in der Stadt, dass Andreas Vander, der hübsche und beliebte Polizist, der überall einen guten Eindruck hinterließ, in Aina verknallt war. Sie waren das perfektes Paar. Er, der Freund und Helfer der Menschen und sie, der Engel der Gerechtigkeit. Sie schnaubte genervt und ging ran. »Was ist, Andi?«
»Was ist passiert, Kleines?«
Aina rollte mit den Augen. »Kannst du bitte aufhören mich Kleines zu nennen? Ich bin kein Kind mehr!«, schimpfte sie und versuchte mit aller Kraft nicht die Beherrschung zu verlieren, die momentan wirklich auf der Kippe stand. Sie wusste selbst nicht, wieso.
»Alles okay?«, fragte er verwirrt.
»Nein!« Am Ende der Straße bog sie ab und lief schnellen Schrittes über den Park, der am Wald angrenzte. Es war absolut gar nichts okay! Sie war momentan eine tickende Zeitbombe. Irgendetwas brach aus ihr heraus und sie konnte es nicht aufhalten. Sie steckte ihre freie Hand in die Jackentasche, um sie zu wärmen und fühlte dabei ihre kalten Schlüssel, wobei sie sich sofort an den Mann erinnerte, den sie damit angegriffen hatte. In einem Moment, in dem sie die Kontrolle über sich verloren hatte. So, wie jetzt. Plötzlich bekam sie es mit der Angst zu tun.
»Soll ich vorbeikommen? Wir kriegen das schon wieder hin. Er gibt dir deinen Job bestimmt zurück, wenn du…«
»Nein!« Sie schrie fast, so wütend war sie. Sie wollte diesen Job nicht zurück! Und sie wollte die Sache nicht wieder hinbekommen. Sie hasste diesen Job und sie hasste es Dinge zu tun und zu sagen, die sie nicht wollte. Sie hasste ihr Leben. Espasste einfach nicht zu ihr. Nicht mehr. Sie seufzte und verstand sich selbst nicht. Vor ein paar Tagen war sie noch ganz zufrieden mit ihrem Leben gewesen. Sie war die Kämpferin für Gerechtigkeit und hatte sich wohl in ihrer Rolle gefühlt. Doch jetzt war alles anders. »Lass mich einfach in Ruhe, Andi. Ich will diesen Job nicht«, sagte sie. »Und ich will dieses Leben nicht. Nicht mehr.«
»Aina, was…«
Sie legte einfach auf. Irgendetwas war mit ihr geschehen. Sie hatte sich verändert, seit… Ihr kamen die Bilder dieser Nacht in den Sinn. Sein nackter Körper, der sie voller Leidenschaft zur Ekstase getrieben hatte. Ihr wurde sofort heiß, doch sie versuchte das brennende Verlangen, das diese Bilder mit sich brachten, zu verdrängen. Was hatte er getan? Was hatte er mit ihr gemacht? Sie war ein völlig anderer Mensch! Lag es an seinem Blut? Hatte es sie verändert? Er hatte ihr gesagt, dass es sie verwandelte, wenn sie es weiterhin nehmen würde. Vielleicht war dies schon geschehen! Vielleicht hatte sie zu viel getrunken. Sein Kuss, durch den er ihr das Blut eingeflößt hatte, war so leidenschaftlich gewesen, dass sie nicht hatte aufhören können alles, was er war, in sich aufzunehmen, zu berühren, zu schmecken. Sie hatte zu viel getrunken. Viel zu viel.
Als sie aufsah, bemerkte sie, dass sie direkt auf dem Weg zu seinem Schloss war. Sie blieb stehen und blickte in den
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