Airborn 01 - Wolkenpanther
geschnappt hatten.
»Das ist ja eine schöne Überraschung«, knurrte Crumlin. Er stank so nach Fischsuppe, als würde sie aus jeder Pore seines großen, schwitzenden Körpers dringen. »Glaubt mir, wenn der Kapitän erst mit euch fertig ist, werdet ihr euch noch in die Grube zurückwünschen.«
Er blinzelte und holte tief Luft, als hätte er Schwierigkeiten, fest auf den Beinen zu stehen. Einen kurzen Moment lang schien sich sein Griff um die Pistole zu lockern, doch dann war er wieder völ lig munter. Begann das Schlafmittel endlich doch zu wirken? Ich warf Kate einen kurzen Blick zu, konnte aber nicht erkennen, ob sie es ebenfalls bemerkt hatte.
»Vorwärts«, rief Crumlin und versetzte mir einen Stoß mit seiner Pistole.
Wir bogen auf den Kielsteg ein. Vor uns, an der Tür zu den Passagierunterkünften, wartete ein weiterer Pirat. Es war der Einhändige, der Nashornwürger.
»Ich hab sie beide erwischt«, rief ihm Crumlin zu. »Rathgar ist da drüben in der Motorengondel eingeschlossen. Geh nach hinten und befreie ihn. Und sorg dafür, dass beide Motoren wieder laufen.«
Der Nashornwürger kam auf uns zu. Immer wieder verlor er das Gleichgewicht und stieß gegen das Geländer, obwohl das Schiff ruhig und gleichmäßig flog.
»Was ist los mit dir?«, bellte Crumlin. »Zu viel gesoffen?«
Der Nashornwürger gab keine Antwort, sondern wedelte nur abfällig mit der Hand, während er leise vor sich hin murmelte. Fast wäre er wieder gestolpert.
»Herrgott noch mal, du bist wirklich eine Schande!«, brüllte Crumlin, aber als ich ihn ansah, entdeckte ich, dass seine Lider ebenfalls flatterten. Er griff sich mit der Pistolenhand an die Schläfe und riss die Augen weit auf, als versuche er, mit aller Kraft klar zu sehen.
Ich überlegte fieberhaft, wann wir einen Fluchtversuch wagen könnten.
Der Nashornwürger war immer noch ein gutes Stück von uns entfernt, als auf einmal etwas zwischen ihm und uns auf dem Steg landete: ein schlankes, wunderschönes Bündel rauweißen Fells mit scharfen Zähnen und Klauen. Es war der Wolkenpanther.
»Du kleines Monster!«, grollte Crumlin. Er blinzelte, als stünde ein Geist vor ihm, und blieb stehen, ebenso der Nashornwürger. Der Panther schaute von einem zum anderen. Seine Schultermuskeln strafften sich, sein Leib senkte sich zu Boden, und ich wusste, dass er gleich zum Angriff übergehen würde.
»Ich werd dich an die Wand nageln!«, schrie Crumlin und hob die Pistole. Der Wolkenpanther sprang in die Takelung über dem Steg. Das Gewirr der Träger und Alumironstreben war den Baumkronen im Wald gar nicht mal so unähnlich, und ich fragte mich, ob er sich auf dem Schiff nicht vielleicht doch heimisch fühlte. Behände sprang er auf die andere Seite des Gangs und wieder zurück, ehe er mit lautem Fauchen auf uns zuraste. Selbst in diesem Moment dachte ich: Er ist so wunderschön.
Crumlin stieß Kate grob zu Boden und versuchte auf den Wolkenpanther zu zielen, während er auf uns zustürmte. Doch er war bereits zu unsicher auf den Beinen und seine Sicht durch den Alkohol und das Schlafmittel zu sehr beeinträchtigt. Die Pistole in seiner Faust wackelte.
Ein Schuss fiel. Er traf jedoch nicht den Wolkenpanther, sondern den Nashornwürger hinten im Gang. Der Pirat griff sich an den Hals. Dunkles Blut sickerte zwischen seinen Fingern hervor. Er sank zu Boden und hauchte fluchend sein Leben aus.
Crumlin feuerte erneut und verfehlte wieder sein Ziel. Ich warf mich mit meinem ganzen Gewicht auf ihn. Er war schon so benommen, dass er das Gleichgewicht verlor. Seine Pistole fiel polternd zu Boden.
»Los, komm!«, schrie ich, packte Kates Hand und lief mit ihr davon.
Doch der Panther wollte nicht uns, er wollte Crumlin. Als ich einen Blick über die Schulter warf, sah ich ihn träge nach seiner Pistole tasten. Schon stürzte sich der Wolkenpanther auf ihn. Vielleicht erkannte er Crumlin von der Insel wieder und wollte sich rächen. Vielleicht mochte er auch einfach nur seinen fischigen Geruch. Das Tier warf sich auf Crumlins Kopf und Oberkörper. Der Pirat schrie und warf die Arme hoch, um den Panther abzuwehren, doch er wich den wuchtigen Schlägen seiner Fäuste gewandt aus und flüchtete sich in die Verstrebungen über dem Gang. Crumlin blutete aus tiefen Wunden an Schultern und Hals. Dann warf sich der Wolkenpanther erneut auf ihn und riss mit Klauen und Zähnen an ihm, ehe er sich wieder zurückzog. Crumlin drehte sich um und torkelte durch den Gang davon. Der
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